Torische Varietät

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Eine torische Varietät ist eine spezielle algebraische Varietät und damit ein Objekt aus der algebraischen Geometrie, einem Teilgebiet der Mathematik. Das Studium torischer Varietäten wird auch als torische Geometrie bezeichnet. Torische Varietäten haben die Besonderheit, dass eine enge Verbundenheit zur konvexen Geometrie besteht.

Definitionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Algebraischer Torus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein algebraischer Torus über ist eine algebraische Gruppe, die isomorph zu einer algebraischen Gruppe der Form ist.[1]

Die Charaktere von sind Morphismen , die gleichzeitig Gruppenhomomorphismen sind. Die Charaktere bilden eine freie abelsche Gruppe . Analog dazu sind die 1-Parameter Untergruppen von definiert als die Morphismen , die Gruppenhomorphismen sind. Diese bilden ebenfalls eine freie abelsche Gruppe und es gibt eine natürliche bilineare Abbildung mit welcher man mit und mit identifizieren kann. Man erhält einen kanonischen Isomorphismus via .

Im Falle lässt sich zeigen, dass alle Charaktere von der Form

und alle 1-Parameter Untergruppen von der Form

sind. In diesem Fall gilt und und die bilineare Abbildung ist das Skalarprodukt.[2]

Torische Varietäten als torische Einbettungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine torische Varietät ist eine irreduzible algebraische Varietät , die einen algebraischen Torus als eine Zariski-offene Teilmenge enthält, sodass die Gruppenverknüpfung des Torus sich zu einer algebraischen Gruppenoperation des Torus auf der ganzen Varietät fortsetzen lässt. Hierbei meint algebraisch, dass die Gruppenoperation durch einen Morphismus algebraischer Varietäten gegeben ist.[3]

Bei manchen Autoren wird zusätzlich verlangt, dass eine torische Varietät normal ist.[4] Dabei heißt eine algebraische Varietät normal, falls in jedem Punkt der Varietät der lokale Ring ein normaler Ring ist.

Konstruktionen affiner torischer Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus obiger abstrakten Definition ist nicht ersichtlich wie die Verbindung zur konvexen Geometrie entstehen. Im folgenden Abschnitt sind drei äquivalente Konstruktionen affiner torischer Varietäten aufgeführt. Das heißt, man erhält jede affine torische Varietät durch jede der folgenden Konstruktionen.

1. Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei ein Torus mit Charaktergitter . Man betrachte eine endliche Teilmenge mit den zugehörigen Charakteren . Definiere die Abbildung

und als den Zariski-Abschluss von . Dann ist eine affine torische Varietät, deren Torus das von erzeugte Untergitter als Charaktergitter besitzt. Die Dimension von ist gleich dem Rang des Gitters .[5]

2. Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polyedrische Gitterkegel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei ein Gitter, das heißt eine freie abelsche Gruppe von endlichem Rang. Ein konvexer rationaler polyedrischer -Kegel ist ein konvexer Kegel im Vektorraum , der von endlich vielen Vektoren aus erzeugt wird. Im Folgenden sprechen wir kurz von einem -Kegel.

Jedem -Kegel kann ein dualer Kegel zugeordnet werden. Dazu betrachtet man zum dualen Gitter den dualen Vektorraum und definiert .

Torische Varietäten aus Gitterkegeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einem -Kegel wird zunächst sein dualer Kegel zugeordnet. Zu diesem betrachtet man die kommutative Halbgruppe . Es stellt sich heraus (Lemma von Gordan[6]), dass diese Halbgruppe endlich erzeugt ist und die Monoidalgebra daher eine endlich erzeugte kommutative -Algebra ist. Das Maximalspektrum dieser Algebra hat dann die Struktur einer affinen torischen Varietät.

Der Torus von ist genau dann, wenn ein spitzer Kegel ist.[7] Des Weiteren lässt sich zeigen, dass dann sogar normal ist.[8]

3. Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei ein Untergitter.

  • Ein Ideal der Form heißt Gitterideal.
  • Gitterideale, die Primideale sind, heißen torische Ideale.

Sei ein torisches Ideal. Dann ist eine affine torische Varietät.

Für eine torische Varietät , die wie in der 1. Konstruktion gegeben ist. Dann gibt es eine induzierte Abbildung . Der Kern dieser Abbildung ist ein Untergitter von und es gilt: .[9]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neilsche Parabel als affine torische Varietät[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Neilsche Parabel ist eine affine torische Varietät. Denn sie enthält den Torus als offene Teilmenge:

.[10]

Für und

erhält man: .

Betrachtet man die von erzeugte affine Halbgruppe , dann gilt . Da allerdings nicht normal ist, kann nicht von der Form sein, wobei ein spitzer Kegel ist.[11]

Das Verschwindungsideal ist ein torisches Ideal zu dem von erzeugten Gitter.[12]

Torische Varietät zu einem Kegel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei der Kegel gegeben. Dann ist der duale Kegel gegeben durch . Nun bestimmt man die Erzeuger der affinen Halbgruppe

. Also eine Menge , sodass gilt.

Man erhält

.

Damit ist die torische Varietät zum Kegel gegeben als , wobei

.

Es lässt berechnen, dass das Verschwindungsideal von folgender Form ist: .[13]

Konstruktion projektiver torischer Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei die Quotientenabbildung. Wie im affinen Fall betrachtet man eine Torus mit Charaktergitter und eine endliche Teilmenge . Die Abbildung kann auch als Abbildung nach aufgefasst werden:

.

Dann ist Zariski-Abschluss des Bildes der Abbildung eine projektive torische Varietät .[14]

Verschwindungsideal projektiver torischer Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei wie oben gegeben und die induzierte Abbildung zwischen den Gitter, der Kern dieser Abbildung. ist genau dann das Verschwindungsideal von , falls homogen ist.[15]

Torische Varietäten aus Gitterpolytopen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei ein Gitter. Ein Polytop heißt Gitterpolytop, falls es die konvexe Hülle einer Teilmenge ist, also

.

Ein Gitterpolytop heißt sehr ampel, wenn für alle Ecken die Halbgruppe gesättigt ist, d. h., aus folgt schon für jedes .

Für ein sehr amples Gitterpolytop mit wählt man und erhält eine torische Varietät .[16] Für ein allgemeines Gitterpolytop von maximaler Dimension lässt sich zeigen, dass ein existiert, sodass sehr ampel ist. Die torische Varietät zu ist dann definiert als .[17]

Eigenschaften projektiver torischer Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei ein Gitterpolytop von maximaler Dimension und die zugehörige Varietät. Bezeichne mit die affinen Karten von .

  1. Es gilt: , wobei .[18] Man erhält also für jede Ecke des Polytops einen affinen Teil der projektiven Varietät. Betrachtet man den sogenannten normal fan zum Polytop enthält dieser bereits alle Informationen über die Struktur von , ohne dass eine Einbettung in nötig wäre. Dies führt zum Begriff der abstrakten Varietät.[17]
  2. Die Varietät ist genau dann glatt, wenn ein glattes Polytop ist. Dabei heißt ein Polytop glatt, wenn die Erzeuger der Strahlen eine Teilmenge einer Basis von bilden, wobei eine Seite von ist, die enthält.[19]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monographien und Lehrbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Originalpublikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorlesungen und Vorlesungsskripte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jürgen Hausen: A video course on toric varieties. Tübingen 2020, (Toric Varieties auf YouTube, PDF).
  • David A. Cox: Lectures on Toric Varieties. Hanoi 2005, (PDF).
  • David A. Cox: What is a Toric Variety? Workshop on Algebraic Geometry and Geometric Modeling, Vilnius 2003, (PDF Skript, PDF Folien).
  • Ludger Kaup: Vorlesungen über Torische Varietäten. Konstanzer Schriften in Mathematik und Informatik, Nr. 130, Fassung vom Frühjahr 2002, ISSN 1430-3558, (PDF).
  • Jean-Paul Brasselet: Introduction to toric varieties. Impa, Marseille 2001, (PDF).
  • David A. Cox: Minicourse on Toric Varieties. Buenos Aires 2001, (PDF).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Oda: Lectures on Torus Embeddings and Applications. 1978, 1.1 Algebraic tori.
  2. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 10 f.
  3. Cox: Toric varieties. 2011, Theorem 3.1.1.
  4. Fulton: Introduction to Toric Varieties. 1993, Definition in 1.1.
  5. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 20.
  6. Cox: Toric varieties. 2011, Proposition 1.2.17.
  7. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 30.
  8. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 37.
  9. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 14 ff.
  10. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 12.
  11. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 18.
  12. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 16.
  13. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 34.
  14. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 55.
  15. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 56.
  16. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 74.
  17. a b David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 82.
  18. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 75.
  19. David Cox, John Little, Hal Schenck: Toric Varieties. 2010, S. 86.