Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg

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Mahnmal an die Zerstörung der Synagoge, errichtet 1988

Die Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg K.d.ö.R ist die älteste jüdische Gemeinde in Mitteldeutschland. Sie steht mit Unterbrechungen für eine über tausendjährige Geschichte der Juden in der Stadt Magdeburg. Langjähriger Vorstandsvorsitzender der Gemeinde war der im Jahr 2022 verstorbene Wadim Laiter (1963–2022).

Neben der hier beschriebenen orthodoxen Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg existiert die „Liberale Jüdische Gemeinde zu Magdeburg e.V.“.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine jüdische Gemeinde Magdeburg wird in einer Urkunde Kaiser Ottos I. aus dem Jahre 965 erwähnt; sie unterstand dem Mauritiuskloster. Otto II. bestätigte dies dem Bischof von Magdeburg noch einmal 973.[1] Die jüdischen Kaufleute im Ort nutzten die schiffbare Elbe als wichtigen Handelsweg. Dann folgten immer wieder mörderische Verfolgungen, zum ersten Mal ab 1096 während des Ersten Kreuzzuges, 1146 in einer zweiten Welle. Das „Judendorf“ lag außerhalb der Stadt – nahe der alten Sudenburg – durch Graben und Tor geschützt; dort gab es eine erste Synagoge. Im Jahre 1261 wurde das „Judendorf“ vom klammen Erzbischof Ruprecht von Querfurt geplündert und zerstört. Die jüdischen Bewohner wurden gefangengesetzt und erst gegen Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen. 1302 überfiel es der Stadtmob wiederum, erschlug mehrere Bewohner und plünderte die Behausungen. Dennoch kehrten die Juden immer wieder zurück.

Erzbischof Ernst II. von Sachsen zwang die Juden 1493, die Stadt endgültig zu verlassen; ihre bewegliche Habe durften sie mitnehmen, für ihren Grundbesitz wurden sie entschädigt. Damit erlosch die jüdische Gemeinde Magdeburgs für 200 Jahre. Das Dorf hieß nun „Mariendorf“. Eine der ältesten jüdischen schriftlichen Überlieferungen ist eine Thora-Rolle der Magdeburger Juden aus dem 14. Jahrhundert, die sich heute in der Bibliothek in Wolfenbüttel befindet.[2]

Von 1705 bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach langer Pause wurde 1703 eine Ansiedlung von jüdischen Händlern aus Halberstadt in der Suderburg und 1705 des Schutzjuden Abraham Liebermann als Hoffaktor in der nun preußischen Stadt erlaubt.[3] Eine größere jüdische Ansiedlung folgte erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die ersten Betstuben befanden sich in der Kleinen Münzstraße und der Prälatenstraße. Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die liberale jüdische Gemeinde etwa 800 Mitglieder. Sie weihte 1851 ihre Synagoge in der Großen Schulstraße (heute Julius-Bremer-Straße) ein. Ludwig Philippson wirkte hier als Rabbiner und Schullehrer.

Die Gemeinde nahm 1816 den großflächigen Friedhof am Fermersleberweg im Stadtteil Sudenburg in Besitz (heute Stadtteil Leipziger Straße). Mehrere Steine des mittelalterlichen Begräbnisplatzes wurden aufgestellt, der bereits im 13. Jahrhundert nahe der Elbe bei Buckau („Judenkever Buckau“) lag und nach der letzten Vertreibung der Magdeburger Juden eingeebnet worden war. Nur ein einziger Grabstein aus dem Jahre 1269 ist noch erhalten.

Zerstörtes jüdisches Schuhgeschäft nach der Pogromnacht, Magdeburg, November 1938

Um 1925 gab es über 2300 Juden in Magdeburg. Eine Besonderheit war der Circus Blumenfeld. Der Lehrer Julius Philippson ging in den Widerstand und wurde verhaftet. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde die große Synagoge zerstört und viele Geschäfte geplündert. Das Warenhaus der Gebrüder Barasch wurde 1936 arisiert wie viele andere Unternehmen.[4] Der seit 1923 pensionierte angesehene jüdische Altsprachenlehrer Robert Philippson wurde 1942 im Alter von 84 Jahren noch deportiert. Insgesamt verloren in der Zeit des Nationalsozialismus mehr als 1500 Magdeburger Juden ihr Leben.

Siehe auch: Liste der Stolpersteine in Magdeburg

Nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Krieg gründete sich 1946 eine jüdische Synagogengemeinde neu mit etwa 120 Mitgliedern, die ihre Gottesdienste in verschiedenen Räumlichkeiten abhielt: von 1950 bis 1965 in der Klausener Straße als Synagoge und Verwaltungsgebäude. Der Vorsitzende Otto Karliner floh wegen der stalinistischen Verfolgung 1953 in den Westen. Die Synagogengemeinde Magdeburg – in der DDR eine von acht Gemeinden – hatte Anfang der 1980er Jahre nur noch etwa 20 Mitglieder.[5] In den 1990er Jahren wuchs sie durch jüdische Zuwanderer aus den GUS-Staaten erheblich an; 1997 waren es ca. 160, 2005 knapp 700 Mitglieder. Inzwischen (2020) liegt die Zahl bei 420.[6] Seit 1968 befindet sich das Gemeindezentrum in der Gröperstraße; hier ist auch der Landesverband jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalts untergebracht.

In der Nähe der ehemaligen Synagoge ließ die Stadt im November 1988 ein Mahnmal des Künstlers Josef Bzdok errichten. Eine neue Synagoge für die Orthodoxe Gemeinde wurde ab 2022 errichtet und wurde am 10. Dezember 2023 eingeweiht.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Moritz Spanier: Geschichte der Juden in Magdeburg, Magdeburg 1923/24
  • Cornelia Seibert: Magdeburg, in: Jutta Dick/ Marina Sassenberg (Hrsg.): Wegweiser durch das jüdische Sachsen-Anhalt, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998, S. 124–141

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelbelege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Landesarchiv: Privilegien Kaiser Ottos I. an das Mauritiusstift in Magdeburg, 965. Abgerufen am 8. November 2021.
  2. Zwischen Offenbarung und Kontemplation – HAB. Abgerufen am 8. November 2021.
  3. Magdeburger Chronik - Magdeburg von 1700 bis 1799. Abgerufen am 8. November 2021.
  4. Steffen Honig: NS-Akten bezeugen Raubzug. Abgerufen am 8. November 2021.
  5. Ulrike Offenberg: Seid vorsichtig gegen die Machthaber : die jüdischen Gemeinden in der SBZ und der DDR 1945-1990. Aufbau-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-351-02468-1, S. 58 f.
  6. Gemeinde Magdeburg. 13. November 2017, abgerufen am 9. November 2021.
  7. Marlena Wessollek, dpa: Sachsen-Anhalt: Magdeburg hat wieder eine Synagoge. In: Die Zeit. 10. Dezember 2023, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 11. Dezember 2023]).