Siegfried Aufhäuser

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Siegfried Aufhäuser (1928)

Siegfried Aufhäuser (* 1. Mai 1884 in Augsburg; † 6. Dezember 1969 in Berlin) war ein deutscher Gewerkschaftsführer und Sozialdemokrat.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siegfried Aufhäuser war der drittälteste Sohn des jüdischen Spirituosenfabrikanten und Hopfenhändlers Hermann Aufhäuser (1847–1931)[1]. Er absolvierte nach dem Besuch der Realschule und der höheren Handelsschule eine kaufmännische Lehre. Anschließend war er bis 1912 in Handels- und Industriebetrieben tätig. 1908 war er Mitbegründer der linksliberalen Demokratischen Vereinigung (DV) und deren Vorstandsmitglied.[2] Bereits in der Lehrzeit organisierte sich Aufhäuser, der 1912 zur SPD übertrat, gewerkschaftlich und wurde so im Januar 1913 Sekretär des „Bundes der technisch-industriellen Beamten“ sowie nach dessen Fusion mit dem „Deutschen Techniker-Verband“ zum „Bund der technischen Angestellten und Beamten“ in die Geschäftsführung berufen.

Aufhäuser arbeitete am Zusammenschluss der diversen sozialdemokratisch orientierten Angestelltenverbände seiner Zeit und gründete 1915 die „Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände“. 1917 wurde er geschäftsführender Vorsitzender, von 1921 bis 1933 auch der hauptamtliche Leiter der Nachfolgeorganisation Allgemeiner freier Angestelltenbund (AfA-Bund), die ab Juli 1919 als Parallelorganisation des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) gelten kann. Die Vorsitzenden dieser beiden Verbände, Carl Legien und Siegfried Aufhäuser, arbeiteten (z. B. in der Organisation von Streiks während des Kapp-Putschs) eng zusammen. So kam im März 1923 ein Organisationsvertrag zwischen AfA-Bund, ADBG und dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund (ADB) zustande.

Nachdem er 1917 Mitglied der USPD geworden war, schloss er sich 1922 wie die Mehrheit der nach der Parteispaltung von 1920 verbliebenen Mitglieder erneut der SPD an. Seit 1920 war er Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats, von 1921 bis 1933 Mitglied des Reichstages und in dieser Funktion Vorsitzender des Reichstagsausschusses für Soziales. 1921 wurde er Vizepräsident der Berliner Arbeiterbank und von 1922 bis 1925 war er Mitglied des Staatsgerichtshofs zum Schutz der Republik. Zwischen 1928 und 1933 war er auch Sachverständiger des Internationalen Arbeitsamtes in Genf.

Siegfrieds ältester Bruder Albert Aufhäuser (1877–1942), der das Familienunternehmen geerbt hatte, wurde in Theresienstadt ermordet, sein zweiter Bruder David (1879–1949) war bis 1938 in Hamburg als Chemiker tätig und konnte mit seiner Familie nach New York fliehen. Seiner jüngeren Schwester Frieda (1892–1952), verheiratet mit dem Bamberger Fabrikanten Sali Löbl, gelang 1940 über Moskau und Shanghai die Flucht nach Ecuador.[3]

Flucht und Exil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme flüchtete er nach einigen Verhaftungen über Saarbrücken und Paris nach Prag, arbeitete dort im Rahmen der SoPaDe und gilt innerhalb dieser Organisation als Anhänger des Volksfrontgedankens, also des Zusammenschlusses mit den Sozialisten kommunistischer Prägung gegen Hitlerdeutschland. Innerhalb der SoPaDe war dieser Gedanke nicht mehrheitsfähig. 1935 wurde Aufhäuser zusammen mit Karl Böchel aus dem Vorstand ausgeschlossen und trat gemeinsam mit diesem der von Max Seydewitz gegründeten Gruppe Revolutionäre Sozialisten Deutschlands (RSD) bei. Im Dezember 1936 unterzeichnete er den Aufruf an das deutsche Volk des „Volksfrontausschusses“ in Paris, der als Lutetia-Kreis bekannt wurde. Infolge des Münchner Abkommens wich er nach Paris aus, um dann 1939 nach New York zu emigrieren. Dort arbeitete er als freier Schriftsteller und Journalist. Er war unter anderem Mitglied der sozialdemokratischen Exilorganisation German Labour Delegation und Redakteur der deutschsprachigen New Yorker Staatszeitung und Herold. Im Mai 1944 war er an der Gründung des Council for a Democratic Germany (CDG) beteiligt. Zur Gruppe Neu Beginnen gehörend, war er aktiv in der Bildungsarbeit der Emigrantenklubs, und zugleich bis 1944 Redakteur des Aufbau.

Rückkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siegfried-Aufhäuser-Platz in Berlin-Neukölln

Obwohl Aufhäuser die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erworben hatte, kehrte er 1951 nach Deutschland zurück und wurde 1952 Vorsitzender des Landesverbandes der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (heute ver.di) in Berlin. Dieses Amt gab er 1959 im Alter von 75 Jahren auf und erhielt in der Folge den Ehrenvorsitz. 1954 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, 1964 erhielt er die Ehrenbezeichnung Stadtältester von Berlin. In der am Grunewald gelegenen Siedlung Eichkamp wohnte er vor 1933 und wieder nach 1945.[4]

Siegfried Aufhäuser ist zusammen mit seiner Frau Anna, geb. Stein auf dem Jüdischen Friedhof in Freiburg im Breisgau begraben. Mit ihr hatte er ein Kind, Chawa Nikolai.

1984 wurde in Hannover-Wettbergen eine Straße angelegt und nach ihm benannt. Der Platz am S-Bahnhof Sonnenallee (Berlin-Neukölln) ist nach ihm benannt. 2007 wurde in seiner Geburtsstadt Augsburg im Stadtteil Augsburg-Pfersee eine Straße angelegt und nach ihm benannt.[5]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Weltkrieg und Angestellten-Bewegung (= Sozialwissenschaftliche Bibliothek. Band 6). Verlag für Sozialwissenschaft, Berlin 1918.
  • Gewerkschaften und Politik. Parteipolitische Neutralität – Religiöse Gewissensfreiheit – Faschismus und Kapitalismus. Vortrag (= Schriften des Bundes der technischen Angestellten und Beamten. Nr. 24). Industriebeamten-Verlag, Berlin 1924.
  • Ideologie und Taktik der Angestelltenbewegung. Referat auf dem 4. Afa-Gewerkschaftskongress, Leipzig 1931, S. 3–23.
  • Eine unromantische Betrachtung zum Geschichtsbild der Angestelltenbewegung. DAG, Hamburg 1960.
  • An der Schwelle des Zeitalters der Angestellten. Eine wachsende und dynamische Leistungsschicht in Wirtschaft und Verwaltung. Westl. Berliner Verl.-Ges. Heenemann, Berlin-Wilmersdorf 1963.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Erster Band. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, ISBN 3-598-30664-4, S. 41.
  • Siegfried Aufhäuser der sozialistische Organisator der Kopfarbeiter. In: O.B. Server: Matadore der Politik; Universitas Deutsche Verlags-Aktiengesellschaft, Berlin, 1932, S. 89 ff.
  • Zum 100. Geburtstag von Siegfried Aufhäuser, Vater von Chawa Nikolai, Kibbuz Hasorea, Israel. Geb. 1. Mai 1884. Gest. 6. Dezember 1969. Hektographie. Hasorea (Interview im ZDF am 1. Mai 1969 anlässlich des 85. Geburtstages von Siegfried Aufhaeser. Nach Kassetten – Aufnahme gedruckt).
  • Siegfried Aufhäuser Internationales Biographisches Archiv – Personen aktuell 05/1970 vom 19. Januar 1970, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  • Karl H. Schneider: Aufhäuser, Siegfried. In: Edmund Jacoby (Hrsg.): Lexikon linker Leitfiguren. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a. M./Wien 1988, ISBN 3-7632-3028-9, S. 27–28.
  • Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1.
  • Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig. Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Lukas-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0, S. 346 ff.
  • Günter Lange: Wie die Angestellten zu ihrem Recht kamen. In: ver.di publik 04/2009, ISSN 1610-7691, S. 17.
  • Gunter Lange: Siegfried Aufhäuser (1884–1969). Ein Leben für die Angestelltenbewegung. Eine Biografie (= Gewerkschafter im Nationalsozialismus. Verfolgung – Widerstand – Emigration. Band 5). Metropol, Berlin 2013, ISBN 978-3-86331-096-7.
  • Klaus G. Saur: Aufhäuser, Siegfried. In: Karin Peter, Gabriele Bartelt-Kircher, Anita Schröder (Hrsg.): Zeitungen und andere Drucksachen. Die Bestände des Dortmunder Instituts für Zeitungsforschung als Quelle und Gegenstand der Forschung. Klartext-Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1015-7, S. 440.
  • Eckhard Hansen, Florian Tennstedt (Hrsg.) u. a.: Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945. Band 2: Sozialpolitiker in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus 1919 bis 1945. Kassel University Press, Kassel 2018, ISBN 978-3-7376-0474-1, S. 5 f. (Online, PDF; 3,9 MB).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Werner Loval: Frieda Aufhäuser. Abgerufen am 7. Februar 2024.
  2. Biographien zur deutschen Geschichte von den Anfängen bis 1945. Berlin 1991, S. 29 f.
  3. Erika Löbl: Von Bamberg nach Quito. Das Tagebuch der Erika Löbl. Hrsg.: Horst Gehringer, Regina Hanemann. Erich Weiß Verlag, Bamberg 2016, ISBN 978-3-940821-42-3.
  4. Helga Grebing, Siegfried Heimann (Hrsg.): Arbeiterbewegung in Berlin, Ch. Links Verlag, Berlin 2012, S. 89
  5. Amtsblatt der Stadt Augsburg (Nummer 51 vom 28. Dezember 2007), https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/footer/amtsblatt/2007/Amtsblatt-2007-51.pdf