Schreckstarre

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Schreckstarre bei einem gegriffenen Mauersegler-Jungvogel
Ein Opossum, das sich tot stellt

Schreckstarre (alternative Bezeichnungen sind Starre, Totstellreflex, Thanatose) ist ein Zustand völliger Bewegungsunfähigkeit. Er tritt ein, wenn ein Tier von einem Beutegreifer bedroht wird oder aus anderen Gründen in eine plötzlich auftretende Stress­situation geraten ist.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Barrenringelnatter während einer Thanatose.

Tiere imitieren dabei den Zustand des Todes, um für Fressfeinde weniger auffällig und interessant zu sein. Die Schreckstarre ist insofern biologisch zweckmäßig, als manche Fressfeinde primär auf die Bewegung des Beutetieres reagieren (zum Beispiel Schlangen).[1][2][3]

Diese Verhaltensweise ist beispielsweise bei Insekten, Spinnen und Vögeln anzutreffen, ferner bei Reptilien, die von Schlangen bedroht werden. Bei Vögeln wird es unter anderem durch eine erzwungene Rückenlage hervorgerufen.[4]

Oft haben Tiere ihre Augen weit auf, die Gliedmaßen von sich gestreckt und eine heraushängende Zunge.[1] Viele Stabschrecken lassen sich dagegen mit angelegten Beinen fallen, um mit ihrer Ähnlichkeit zu Pflanzenteilen für den Fressfeind nicht mehr auffindbar zu sein. Bei Laborratten wird anhand der Schreckstarre auf die Wirksamkeit verschiedener Medikamente bezüglich Schmerz- und Angstreduktion[5] bzw. auf Mechanismen der Angst- und Furchtverarbeitung geschlossen.[6]

Manche Tiere (beispielsweise das Opossum) imitieren die physiologischen Merkmale des Todes, indem sie die Körpertemperatur, Herzschlagfrequenz sowie Atmungsfrequenz herabsenken und nicht mehr auf die Umwelt reagieren. Manche Froscharten, die sich bei der Schreckstarre auf den Rücken legen, lassen ihre Zunge aus dem Maul hängen und setzen Ammoniak frei, das auch bei Verwesung aktiviert wird. Hakennasennattern bäumen sich bei einem Totstellreflex in einem vermeintlichen Todeskampf auf, bevor sie verdreht liegen bleiben und Blut aus ihrem Maul rinnen lassen.[1]

Ratten flüchten nur, wenn in einer gegebenen Situation eine Fluchtmöglichkeit auch zu erkennen ist; anderenfalls kommt es neben einer Schreckstarre auch zu einer Ausschüttung von körpereigenen Opioiden – unabhängig davon, ob der auslösende Reiz eine Katze (als angeborenes Feindbild) oder ein Elektroschock ist.[2][3]

Der mögliche adaptive Wert der Schreckstarre wurde experimentell auch bei einer Käferart (Rotbrauner Reismehlkäfer) gegenüber einer Springspinnen-Art als Fressfeind nachgewiesen. Die Springspinnen erbeuteten weniger Mehlkäfer von experimentell erzeugten Zuchtlinien, die eine längere Schreckstarre einhielten, als von solchen, die diese früher wieder lösten.[7]

Bei den Myotonic Goats, einer amerikanischen Ziegenrasse, wird deren ungewöhnliche Schreckstarre durch eine Erbkrankheit (Myotonie) verursacht.

Schreckstarre beim Menschen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reflexartige Lähmung oder tonische Immobilität beim akut gewaltbedrohten Menschen kann als Überlebensreaktion interpretiert werden. Es wird angenommen, dass die defensive Immobilisierung eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung spielt.[8]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Totstellreflex – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Viola Kiel: Thanatose: Warum sich Opossums tot stellen – und was man daraus lernen kann. In: Der Spiegel. 30. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 30. Oktober 2021]).
  2. a b Oliver Schleif: Ein Beitrag zur tiergerechten Haltung der Ratte anhand der Literatur (PDF; 1,3 MB)
  3. a b M. S. Fanselow, L. S. Lester, F. J. Helmstetter: Changes in feeding and foraging patterns as an antipredator defensive strategy: a laboratory simulation using aversive stimulation in a closed economy. In: Journal of the experimental analysis of behavior. Bd. 50, Nummer 3, November 1988, S. 361–374, ISSN 0022-5002. doi:10.1901/jeab.1988.50-361. PMID 3209954. PMC 1338904 (freier Volltext).
  4. Erwin Hentschel, Günther Wagner: Zoologisches Wörterbuch, Gustav Fischer Verlag Jena, 4. Auflage 1990, ISBN 3-334-00348-5
  5. Conti et al. Footshock-induced freezing behavior in rats as a model for assessing anxiolytics
  6. Anagnostaras et al.: Temporally Graded Retrograde Amnesia of Contextual Fear after Hippocampal Damage in Rats: Within-Subjects Examination.
  7. Takahisa Miyatake, Kohji Katayama, Yukari Takeda, Akiko Nakashima, Atsushi Sugita, Makoto Mizumoto (2004): Is death-feigning adaptive? Heritable variation in fitness difference of death-feigning behaviour. In: Proceedings of the Royal Society London Series B. Bd. 271, S. 2293–2296. doi:10.1098/rspb.2004.2858
  8. Social Engagement and Attachment Annals of the New York Academy of Sciences Volume 1008, Ausgabe 1 (English), abgerufen am 8. Juli 2022