Raymond Bernard (Orchesterleiter)

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Raymond Bernard (* 29. August 1920 in Clamart, Département Seine; † 23. Mai 2005 in Suresnes, Hauts-de-Seine), eigentlich Raymond-Bernard Cohen, war ein französischer Komponist, Pianist, Arrangeur und Orchesterleiter.[1] Bekannt geworden ist er vor allem als langjähriger Begleiter von Gilbert Bécaud und Serge Reggiani.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bernard erhielt seine musikalische Ausbildung am Pariser Konservatorium. Während der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs spielte er in Bordeaux Klavier im Jazzorchester von Fred Adison.[2] Er floh Anfang Juli 1943 mit drei anderen jungen französischen Musikern über Andorra nach Spanien. Bernard lebte mit seinem Kollegen Bob Norris einige Monate in Barcelona und spielte auf verschiedenen Jazzkonzerten, in Shows und in Varietés. Im Oktober 1943 gingen Bernard und Norris gemeinsam nach Nordafrika;[3] Bernard spielte in Algier bis 1945 im Hot Club d’Alger.[4] Nach der deutschen Kapitulation kehrte Bernard nach Frankreich zurück und wurde von 1945 bis mindestens 1947 Pianist im Orchester von Ray Ventura, mit dem er auch mehrere Plattenaufnahmen machte.[5] Er spielte dann im Orchester von Bernard Hilda[6], auch in seinem Begleitorchester für das Zirkusprogramm La piste aux étoiles im Pariser Cirque d’hiver, das im französischen Fernsehen direkt übertragen wurde.

1950 schied er aus diesem Orchester aus, um als Klavierbegleiter mit der Chansonsängerin Jacqueline François auf eine ausgedehnte Nord- und Südamerikatournee zu gehen. In São Paulo lernte er Ende 1950 Gilbert Bécaud kennen, der dort damals selbst als Klavierbegleiter mit Jacques Pills unterwegs war.[7] Als Bécaud 1953 selbst als Chansonnier aufzutreten begann, engagierte er Bernard als Klavierbegleiter.[8] Bernard gründete bald ein eigenes Orchester (Raymond Bernard et son orchestre), das zum ständigen Begleitorchester Bécauds wurde. Er fungierte über viele Jahre als musikalischer Leiter und Arrangeur für Bécaud. Für Bernard bestand in dieser Zusammenarbeit ein nahezu blindes musikalisches Verständnis:[9]

„Wenn er mir etwas vorspielte, wusste ich sofort, wie ich das zu orchestrieren habe. Es kam so weit, dass er wiederum von vornherein wusste, was ich mir bei seiner Musik vorstellen würde.“

Wie Bernard rückblickend feststellte, konnte diese enge Vertrautheit auch ein Hindernis dabei sein, etwas Neues auszuprobieren. 1965 gab er schließlich, aus Anlass eines Trauerfalls in seiner Familie, die musikalische Leitung und die Klavierbegleitung für Bécaud an Gilbert Sigrist ab, besorgte aber noch jahrelang die Arrangements für Bécauds Studioaufnahmen.[10] So übernahm er etwa die Instrumentierung und musikalische Leitung einer Neueinrichtung von Bécauds Opéra d’Aran 1966, eine Aufgabe, die er schon wegen ihrer ungewöhnlichen Dimensionen sehr befriedigend fand: „Ich dirigierte hundert Leute im Studio, das ist schon gewaltig, einzigartig!“[11]

Enrico Macias erzählte, dass Bernard ihm zu Beginn seiner Karriere sehr geholfen habe. Macias war 1961 im Vorprogramm zu einem Bécaud-Konzert aufgetreten und war über die mäßige Aufmerksamkeit des Publikums deprimiert. Raymond Bernard habe ihn noch am selben Abend ermutigt: „Kommen Sie zu mir nach Paris, hier meine Telefonnummer, ich stelle Sie dem Direktor von Gilberts Plattenfirma vor. Sie schwimmen gegen die Strömung, das ist ein gutes Zeichen. Nur die Originalität wird sich auszahlen … ich glaube an Ihre Persönlichkeit.“ Bernard habe sein Versprechen gehalten.[12] Er komponierte später auch ein Chanson gemeinsam mit Macias und schrieb einige Arrangements für ihn.

Ab 1970 übernahm Bernard die Klavierbegleitung von Serge Reggiani, komponierte für ihn eine Reihe von Chansons und schrieb Arrangements. Auch mit Marlene Dietrich ging er auf Tournee, unter anderem begleitete er sie 1978 in Berlin am Klavier bei ihrem Vortrag des Liedes Schöner Gigolo, armer Gigolo im gleichnamigen Film.[13]

Bermard komponierte neben vielen Chansons, unter anderem für Charles Aznavour, Claude François, Nana Mouskouri und Mireille Mathieu, auch eine Reihe von Filmmusiken: zu Une balle dans le canon (1958; deutsch: Eine Kugel im Lauf), Le Sicilien (1958), L’ennemi dans l’ombre (1960, gemeinsam mit Gilbert Bécaud; deutsch: Der Boß kennt kein Erbarmen) und die Titelmusik der Fernsehserie Les enquêtes du commissaire Maigret mit Jean Richard in der Hauptrolle (ab 1967).

Kompositionen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Discogs weist 147 Schallplatten mit Kompositionen und Arrangements von Bernard aus (Stand: 18. Januar 2019). Darunter befinden sich viele Doppelzählungen, andererseits fehlen auch Titel, die sich über die Französische Nationalbibliothek oder, bei Filmmusik, über die Internet Movie Database erschließen lassen.

Tonaufnahmen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Discogs weist deutlich über 300 Tonträger aus, an denen Bernard in irgendeiner Weise beteiligt war. Hier wurden einige zusammengestellt, die ein Anhören der ersten 30 Sekunden jedes Titels über die Datenbank Gallica ermöglichen. Verzichtet wurde insbesondere auf die sehr zahlreichen Aufnahmen von Raymond Bernard et son orchestre mit Gilbert Bécaud.

  • Qu’est-ce que t’as/Concerto d’automne. Raymond Bernard et son orchestre. La Voix de son Maître. 1956. Hörbeispiel auf Gallica
  • Les succès de Gilbert Bécaud/Cocktail de succès. Raymond Bernard et son Orchestre de Danse. La Voix de son Maître. 1957. Hörbeispiel auf Gallica
  • Souvenirs de Paris. Raymond Bernard, son piano et ses ryhthmes. Klavier solo. Pathé Marconi, Paris. 1958. Hörbeispiel auf Gallica
  • L’ennemi dans l’ombre. Extraits de la musique du film. Raymond Bernard et son orchestre. Columbia. 1960. Hörbeispiel auf Gallica
  • Pierre Lavallée: Serge Reggiani – Le pont Mirabeau. 13. Oktober 2010 (aktualisiert 13. November 2016). Serge Reggiani liest Guillaume Apollinaire zur Klavierbegleitung von Raymond Bernard. Begleittext und Hörbeispiel auf der Seite J’ai la mémoire qui chante.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bernard Raymond. In: Pierre Saka, Yann Plougastel (Hrsg.): La Chanson française et francophone. Larousse, Paris 1999, S. 144f.
  • Adieu l’ami! Raymond Bernard (1920–2005). in: Christian Boisonnée: Télévision française. La saison 2006. Une analyse des programmes du 1er Septembre 2004 au 31 Août 2005. L’Harmattan, Paris 2006, S. 36.
  • Disparitions. Raymond Bernard, pianiste, arrangeur et chef d'orchestre. In: Le Monde, 25. Mai 2005, online.
  • Mort du jazzman Raymond Bernard. In: Libération, 25. Mai 2005, online.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bürgerlicher Name, Geburtsdatum und Geburtsort nach der Notice de personne bei der Bibliothèque nationale de France, online; Todesdatum nach Disparitions. Raymond Bernard, pianiste, arrangeur et chef d'orchestre. In: Le Monde, 25. Mai 2005, online. Dies stimmt überein mit der Angabe in Mort du jazzman Raymond Bernard. In: Libération, 25. Mai 2005, online. Die Notice de personne der BNF gibt abweichend den 21. Mai an, ohne jedoch dafür weitere Quellen zu nennen.
  2. Jean Rousseau: Le jazz à Paris sous l’occupation 1940–1944, Unterseite Les musiciens cités, Kapitel Fred Adison. Vgl. auch Christophe Mirambeau: Saint Luis. Une vie de Luis Mariano. 1914–1970. Flammarion, Paris 2004, Kapitel 5.
  3. Jordi Pujol Baulenas: Jazz en Barcelona: 1920–1965. Almendra Music, Barcelona 2005, S. 150 und 163f.
  4. Siehe Jazz Hot, Neue Serie, Nr. 1, 12. Oktober 1945, wo der Weggang der „besten Musiker“ aus Algier beklagt wird, unter anderem von Bernard, und zugleich sein neues Engagement bei Ventura angezeigt wird.
  5. Zeitangaben nach: Bernard Raymond. In: Pierre Saka, Yann Plougastel (Hrsg.): La Chanson française et francophone, S. 144. Aus Besetzungsangaben in der von Pierre Nauleau erstellten Diskografie von Gérard Lévèque auf der Seite https://djangonewquintettclarinet.wordpress.com geht hervor, dass Bernard von März 1946 mindestens bis März 1947, wahrscheinlich bis Oktober 1948 Pianist und Arrangeur bei Ventura war und an einer Reihe von Tonträger-Veröffentlichungen beteiligt war.
  6. Bernard Raymond. In: Pierre Saka, Yann Plougastel (Hrsg.): La Chanson française et francophone, S. 144. Vgl. auch Serge Elhaïk: Les Chefs d’orchestre français. Grands Orfèvres de la Chanson, Volume 3: Raymond Lefèvre (online), S. 5. Raymond Lefèvre berichtet hier in einem Interview mit Elhaïk, dass er Anfang der 50er Jahre Raymond Bernard als Pianist bei Hilda abgelöst habe.
  7. Annie und Bernard Réval: Gilbert Bécaud. Jardins sécrets. France-Empire, Paris 2001, ISBN 978-2-70480-930-1, S. 34.
  8. Annie und Bernard Réval: Gilbert Bécaud. Jardins sécrets. France-Empire, Paris 2001, ISBN 978-2-70480-930-1, S. 47.
  9. Annie und Bernard Réval: Gilbert Bécaud. Jardins secrets. France-Empire, Paris 2001, S. 104
  10. Annie und Bernard Réval: Gilbert Bécaud. Jardins secrets. France-Empire, Paris 2001, S. 104
  11. Annie und Bernard Réval: Gilbert Bécaud. Jardins secrets. France-Empire, Paris 2001, S. 104
  12. Raoul Bellaïche: Enrico Macias: les années Pathé Marconi. In: Je chante, Dossier Enrico Macias, 4. Januar 2010. Online.
  13. Donald Spoto: Blue Angel. The Life of Marlene Dietrich. Cooper Square Press, New York 2000, S. 2; siehe auch Rory MacLean: My Time On the Set With Marlene Dietrich. Veröffentlicht online am 3. Oktober 2014 auf der Website The History Reader.
  14. Siehe den Eintrag für die Partitur im Katalog der Bibliothèque nationale de France.