Rathaus Görlitz

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Das Alte Rathaus mit Uhrenturm am Untermarkt
Postkarte des Künstler Postkarten-Verlags Hoffmann’s Stärkefabriken von 1902
Komplette Vorderansicht des Görlitzer Rathauses, das aus mehreren Gebäuden aus unterschiedlichen historischen Epochen entstanden ist

Das Rathaus der Stadt Görlitz ist seit etwa 1350 Ort der städtischen Verwaltung, Macht und Gerichtsbarkeit; im Jahr 1369 ist es durch eine Urkunde des Görlitzer Rats erstmals als Rathaus belegt. Seine prachtvolle Innenausstattung geht in die Renaissancezeit zurück. Es besteht aus mehreren zusammenhängenden Bauten am Untermarkt 6–8 und ist heute Sitz mehrerer Ämter.

Der Rathausturm wurde Anfang des 16. Jahrhunderts aufgestockt, 1524 bekam er eine Uhr mit zwei Zifferblättern, die 1584 von Bartholomäus Scultetus zu einer zwölfstündigen umgebaut wurde. Ebenfalls verband dieser die normale Tageszeituhr mit der darüber befindlichen Mondphasenuhr. Wendel Roskopf der Ältere brachte zwischen 1537 und 1538 die noch heute bestehende Verkündungskanzel neben der Rathaustreppe an. 1591 wurde diese mit dem Standbild der Justitia ergänzt als Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit des Rates.

Das Wappenrelief des Königs Matthias von Ungarn und Böhmen weist auf die Landeszugehörigkeit der Oberlausitz hin. Der 1903 im Stil der Neorenaissance fertiggestellte Erweiterungsbau nach Entwürfen des Architekten Jürgen Kröger ist mit den Wappen der Mitgliedsstädte des Oberlausitzer Sechsstädtebundes geschmückt.

Entstehung und erste Erwähnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1303 erhielt die Stadt Görlitz das Magdeburger Stadtrecht und man begann mit der Planung eines Verwaltungsbaus. Während der Bau- und Planungsphase war ein hölzerner Vorgängerbau Sitz der Verwaltung. Mangels Platz verzichtete man auf einen kompletten Neubau und entschied sich stattdessen 1350 für den Kauf eines bereits existierenden Gebäudes im Südwesten des Untermarktes.

1369 wurde das Rathaus das erste Mal in einem Bericht des Görlitzer Rates an Kaiser Karl IV. erwähnt, als ein Handwerkeraufstand vom 1. November geschildert wurde.

„Do besapten si sich noch stercker und kommen vor das Rathaus…“

Görlitzer Rat

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rathaus weist Baustile vieler Epochen auf. Innen- wie auch Außenbereiche wurden mehrfach über die Jahre verändert oder mussten zeitgemäßeren Bauten weichen.

Äußeres Erscheinen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Untermarkt 6[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick vom Untermarkt auf das alte Rathaus

Der Untermarkt 6 ist der älteste Teil des Gebäudes. Der Bau besteht aus dem unteren Teil des heutigen Rathausturms und dem nördlich angrenzenden Gebäude. Ursprünglich handelte es sich bei dem Gebäude um das Wohnhaus eines böhmischen Dienstmannen, das in die vorgotische Zeit zurück reicht. Die Fassade war größtenteils unverputzt. So konnte man die sorgfältig gearbeiteten Sichtfugen des Ziegelbaus begutachten.

Im zweiten Obergeschoss dieses Gebäudes befanden sich zwei große Spitzbogenöffnungen. Diese stammen aus der Gotik und lassen sich auf alten Zeichnungen wieder finden. In dieser Etage lag die so genannte Königsstube. Sie diente als Amtssitz des Bürgermeisters und war auf Grund der hohen Lage auch von außen als dieses zu erkennen. Die beiden darüberliegenden Etagen haben eine deutlich niedrigere Wandhöhe.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde das Gebäude aufgestockt. Der Umbau war gotisch gehalten. Die Blendnische am nördlichen Giebel stammt aus dieser Zeit. Im 19. Jahrhundert erfolgten weitere Umbaumaßnahmen, die die Fensterhöhen der Obergeschosse axial anglichen.

Durch die Stadtansicht von Metzker-Scharffenbergk lässt sich ein mit Schwalbenschwanzzinnen besetzter Eingangsbau nachweisen. Im Zuge des Barockumbaus musste dieser weichen. 1842 wurde auch dieser beseitigt. Seitdem war auch der städtische Weinkeller öffentlich zugänglich, der zu jener Zeit in diesem Teil des Gebäudes untergebracht war. Zu ihm hatten allerdings nur die privilegierteren Bürger der Stadt Zugang.

Um 1870 begannen die Arbeiten an einer einheitlichen Fassade, welche im Stil der Neorenaissance gehalten waren. Die heute noch bestehenden Fensterumkrönungen gehen auf diese Maßnahme zurück. Im Jahr 1900 wurde der glatte Putz durch Spritzbewurf ersetzt. Dieser war die Grundlage der heutigen Fassadenstruktur.

Rathausturm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Uhren und der Rathauslöwe am Turm

Das sogenannte Türmchen wurde bereits 1378 erstmals erwähnt. Anfang des 16. Jahrhunderts, in den Jahren 1511 bis 1516, wurde der Turm um 60 Meter erhöht. Der damalige Stadtwerkmeister Albrecht Stieglitzer begründete die Erweiterung mit der besseren Übersicht und dem besseren Schutz der Stadt. Der Neubau war in achteckiger Form gehalten und im obersten Geschoss von einer Brüstung umgeben.

1742 zerstörte ein Blitzeinschlag den oberen Teil. Ratsmaurer Samuel Suckert baute den Turm in seiner heutigen Form wieder auf. Beim Wiederaufbau wurden zwei Uhren auf der Marktseite angebracht. Die untere hatte ursprünglich 24 Ziffern, bis sie 1584 durch eine mit zwölf Ziffern versehene Uhr von Bartholomäus Scultetus ersetzt wurde. Diese ist in der Mitte des Zifferblattes mit dem Kopf eines Stadtwächters besetzt. Der wurde der Legende nach lebendig im Turm eingemauert, da er den Stadtbrand am 30. April 1556 verschlafen hatte, bei dem das Feuer 40 Häuser in der Nikolaistraße und deren Umgebung erfasst hatte. Einmal pro Minute öffnet er die Augen, und der Stadtbrand spiegelt sich darin (orange leuchtende Augen), vor Erstaunen öffnet er dann den Mund.

Die darüber befindliche Mondphasenuhr ist Teil des Lunarkalenders. Ein böhmischer Löwe, der sich oberhalb der Uhren in einer gotischen Öffnung befindet, sollte im Mittelalter um Mitternacht mit Hilfe eines Orgelwerks durch sein kräftiges Brüllen Diebe verscheuchen. Er wurde 1564 erstmals urkundlich erwähnt.[1]

Mit den Uhren bekam der Turm auch zwei Glocken, die allerdings 1917 zu Kriegszwecken eingeschmolzen worden sind. Ein Gipsabguss der Größeren ist bis heute erhalten und befindet sich im Erker des Rathauses.

Der Turm war außerdem Zugang zur Königsstube. Darauf geht das aufwändig gestaltete spätgotische Portal zurück. Darüber befindet sich das Wappen des damaligen ungarischen Königs Matthias Corvinus, der zu dieser Zeit Landesherr von Görlitz war.

Görlitz wandte sich vom Ketzerkönig Georg Podjebrad ab und hielt zum neuen Herrscher beim Streit um die böhmische Krone. Das Wappen stellt aus bildhauerischer Sicht eine besondere Leistung dar, da die beiden Flankenfiguren besonders feingliedrig und in tänzelnder Haltung gestaltet sind.

Der Rathausturm kann heute als Aussichtsturm bestiegen werden und bietet einen der besten Ausblicke auf Görlitz.[2]

Rathaustreppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rathaustreppe mit Corvinus-Wappen (rechts)

Die 1537 vermutlich[3] von Wendel Roskopf erbaute Rathaustreppe gilt als Meisterwerk der Frührenaissance. Die geschwungene Treppe führt hinauf zum Portal des Gerichtsflügels und der zur selben Zeit entstandenen Verkündungskanzel. Die ruht seitlich der Treppe auf einem Säulenpaar mit eingeschnürtem Schaft. Der Bildhauer Andreas Walther I verzierte die Treppe mit zu dieser Zeit ungewöhnlichen Mustern. Eines davon ist das Bild der Eva im Sündenfall. Putten, die das Treppengeländer als Rutschbahn nutzen finden sich neben Fischsirenen, welche die Schmuckfelder der Kanzel füllen.

1950 wurden die Originale der Reliefplatten durch Kopien ersetzt. Geschützt vor der Witterung, kann man diese nun im Inneren des Gebäudes besichtigen. Das für diese Zeit typische Rahmengewändeportal stammt ebenfalls von Wendel Roskopf. Variiert eingesetzte Medaillons sowie Puttenköpfe sind nur zwei von vielen reichen Verzierungen, die das Portal schmücken.

1591 wurde die Kanzel durch das Bildnis der Justitia an der Kanzel ergänzt. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Darstellung mit Richtschwert, Waage und Augenbinde fehlt bei dieser Skulptur letzteres. Damit sollte nicht die Görlitzer Rechtsprechung kritisiert werden; viel mehr sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass ihr Blick und ihr Urteil ungetrübt sei. Das aktuelle Bildnis ist allerdings nur eine Kopie des Originals, das im Zweiten Weltkrieg jenseits der Neiße ausgelagert war und nach Kriegsende nicht zurückkehrte.

Für frisch verheiratete Paare ist die Rathaustreppe ein beliebter Ort für Hochzeitsfotos.

Gerichtsflügel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gerichtsflügel ist einer der ältesten Teile des Rathauses. Er erstreckt sich mit zwei Obergeschossen über einen Teil der Brüderstraße. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde mit dem Bau begonnen. Bis er seine heute bekannte Form bekam, vergingen rund 200 Jahre.

Nach mehreren Umbauten, veränderte sich auch das Erscheinungsbild des Flügels. Heute erstrahlt es im Stil der Neorenaissance. Auf Zeichnungen des späten 18. Jahrhunderts kann man allerdings den alten gotischen Zustand sehen. Im 19. Jahrhundert wurde der Bau stark vereinfacht. Aus dieser Zeit stammt der noch heute angebrachte Spritzputz.

Neues Rathaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick von der alten Ratsapotheke auf das Neue Rathaus am Untermarkt, links angeschnitten das Hotel Börse
Die alten Pilzläuben – heutiger Standort des Neuen Rathauses

Anfang des 20. Jahrhunderts hat der Rathausausbau seinen Abschluss gefunden. Der Architekt Jürgen Kröger stellte den Bau im Stil der Neorenaissance 1903 fertig. Am Rathaus, in Richtung Untermarkt angebracht, befinden sich die Wappen des Oberlausitzer Sechsstädtebundes. Jedes von ihnen wird von einem Krieger präsentiert, welcher die Last der auf ihm befindlichen Säulen hält.

Das Bauwerk stellt eine Reminiszenz an die Görlitzer Bürgerhäuser des 17. Jahrhunderts dar. Der Aufbau wirkt imposant und stellte jener Zeit den Geist der aufstrebenden Stadt zur Schau. Reichlich gestaltete Säulenelemente dominieren die vordere Fassade. Im Gegensatz zur aufwändig gestalteten Marktfront des Gebäudes, wurden Seite und die rückwärtige Fassade schlicht mit weißen Kacheln bedeckt. Insgesamt thront das Rathaus auf mehreren Barockportalen, die von den beiden Bürgerhäusern stammen, welche dem Bau weichen mussten.

Dies war die letzte bauliche Änderung am Rathaus. Die Stadtverwaltung hatte nun mehr Räume für sich und auch die Stadtsparkasse hatte ihren Sitz in den Neubau verlegt. Der Ratskeller wie auch ein Gefängnis folgten.

Innenbereich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Haupteingang befindet sich seit 1902 am Säulenportal des Untermarkt 8. Ein Portal mit Treppenaufgang führt in das erste Geschoss. Besonders auffällig sind die vielen Höhenversprünge im Inneren, die die Bauübergänge besonders bemerkbar machen. Ein 1977 installierter Paternosteraufzug verbindet fünf Geschosse. 2010 wurde er nach einer Haverie stillgelegt.[4] Die Wartebänke in den Gängen vor den Büros stammen noch teilweise aus der Jugendstilzeit. Vom Portal gelangt man direkt zum Bürgerbüro.

Trausaal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hochzeitsgesellschaft nach der Trauung im Rathaus

Bevor man vom Bürgerbüro in den Trausaal gelangt, erreicht man den Vorraum. Dieser gehört zum ursprünglichen Komplex des Untermarkt 8. Besonders auffällig ist die im Raum zwischen den Fenstern erbaute Säule im Renaissancestil. In südlicher Richtung gelangt man zum eigentlichen Trausaal, der zum Gebäude des Untermarkt 7 gehört. Im Saal selbst befindet sich ein barockes dreijochiges Kreuzgratgewölbe. Bereits 1936 wurde der Saal für Trauungen genutzt.

Königsstube[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Königsstube diente als Empfangssaal des Bürgermeisters für Landesherren und hohe Adlige. Sie liegt im 1. Obergeschoss des Untermarkt 6 und ist einer der ältesten Räume des Gebäudes. Sein Eingangsbereich wird von einem spätgotischen Stabwerkprofil geziert. Der Name des Raumes stammt von dem Status Görlitzes als königliche Stadt des Markgraftums Oberlausitz. Deshalb besuchten viele Könige und Kaiser das Rathaus, wie zum Beispiel Kaiser Karl IV., Kaiser Ferdinand I. oder auch König Albert von Sachsen.

Dem Namen entsprechend ist der Raum in höchster Qualität gearbeitet worden. Verzierte Türstöcke aus der Renaissance bilden den Zugang zum Turnzimmer. Das Tonnengewölbe ist mit barocken Stuck aus dem 17. Jahrhundert geschmückt. Das Hauptaugenmerk liegt auf den drei Akanthusranken, die an der Decke entlang gearbeitet worden sind.

Ehemalige Stadtsparkasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 1. Obergeschoss des neuen Rathauses befindet sich ein Gang, der ursprünglich der Mittelteil einer dreiachsigen Schalterhalle war. In ihr befand sich die Stadtsparkasse. Die Halle nahm die gesamte Gebäudebreite ein. 1913 zog die Sparkasse in die neuen Geschäftsräume zwischen Berliner Straße und Postplatz. In den 1960er Jahren wurden neue Wände gezogen, um Büroräume zu gewinnen. Der Tresorraum im Nordwesten ist noch immer erhalten.

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Originalrelief der Treppe, im Inneren ausgestellt

Auffällig sind die im Jahr 1537 mit der Rathaustreppe geschaffenen Schmuckfelder mit Fischsirenen, die sich auch im Wappen des Görlitzer Patriziergeschlechts Emmerich wiederfinden, das über lange Zeit im Rat vertreten war und einige Görlitzer Bürgermeister stellte. Die ‚Emmeriche‘ waren auch mit Franz Schneider, dem Bürgermeister des Jahres 1537, verschwägert.[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dietmar Ridder, Siegfried Hoche: Das Rathaus der Stadt Görlitz. Ein Baugeschichtlicher Rundgang, Görlitz 2004.
  • Katja Margarethe Mieth, Marius Winzeler: Das Wappen von König Matthias Corvinus am Görlitzer Rathaus - subtile Huldigungsgeste und städtische Selbstdarstellung. In: Neues Lausitzisches Magazin, Görlitz, NF 11 (2008), S. 1–26.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Görlitzer Rathaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rathauslöwe
  2. Rathausturm auf der Webseite des FVKS – Förderverein Kulturstadt Görlitz-Zgorzelec e.V.
  3. Biografie von Wendel Roskopf (um 1480-1549) - Sächsische Biografie | ISGV e.V. Abgerufen am 8. Mai 2022.
  4. Knut-Michael Kunoth: Paternoster im Görlitzer Rathaus bleibt vorerst an der Kette - Stadtverwaltung will Gefährdungsanalyse. In: Radio Leipzig. 9. März 2015, abgerufen am 13. Oktober 2016.
  5. Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und in Zittau. In: Der Herold. Band 10, 1983.

Koordinaten: 51° 9′ 22,3″ N, 14° 59′ 25″ O