Nationalversammlung (Polen)

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Sejmgebäude in Warschau, Tagungsort der Nationalversammlung: links im Bild der Präsidentensessel (mit hölzerner Brüstung), im Vordergrund der Sitz des Vorsitzenden

Die Nationalversammlung (poln. Zgromadzenie Narodowe) ist in der Republik Polen ein Verfassungsorgan, dessen wichtigste verfassungsmäßige Aufgabe die Entgegennahme des Amtseides des Präsidenten ist.

Verfassungsrechtliche Verankerung und Befugnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemäß dem Artikel 114 Abs. 1 der Verfassung vom 2. April 1997 besteht die Nationalversammlung aus den Abgeordneten des Sejm (460) und den Senatoren (100), also insgesamt hat sie 560 Mitglieder. Die Leitung der Nationalversammlung obliegt dem Sejmmarschall, welcher vom Senatsmarschall vertreten werden kann. Die Nationalversammlung kann ihre Geschäftsordnung beschließen (Art. 114 Abs. 2).[1]

Zu den Aufgaben der Nationalversammlung gehört gemäß Artikel 130 der Verfassung die Entgegennahme des Eides des neu gewählten Präsidenten der Republik Polen, womit er sein Amt übernimmt.[1] Bei einer Wiederwahl wird gemäß der praktischen Auslegung der Verfassung der Präsident erneut vereidigt.[2][3]

Ferner ist die Nationalversammlung zur Erklärung der vorläufigen Amtsunfähigkeit des Präsidenten (z. B. auf Grund einer Krankheit) mit einer Zweidrittelmehrheit der Gesamtzahl ihrer Mitglieder (d. h. mindestens 374 Stimmen) befähigt (Art. 131 Abs. 2 Punkt 4). Ebenso kann die Nationalversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit den Präsidenten wegen Verfassungsverletzung vor dem Staatsgerichtshof anklagen. Diese Abstimmung bedarf eines Antrags von mindestens 140 Mitglieder der Nationalversammlung (Art. 145 Abs. 2).[1]

Die Nationalversammlung kann ansonsten einberufen werden, um eine Ansprache des Präsidenten zu hören. Sonstige Zusammenkünfte von Sejm und Senat, die zu verschiedenen feierlichen Anlässen stattfinden (wie z. B. Jahrestage historischer Ereignisse oder Ansprachen fremdländischer Staatsoberhäupter), stellen gemäß der Verfassung keine Nationalversammlung dar,[4] obgleich sie manchmal in den Medien fälschlicherweise so bezeichnet werden. Polnische Parlamentskammern bezeichnen solche Zusammenkünfte als "Versammlung der Abgeordneten und Senatoren" oder "Festliche Versammlung der Abgeordneten und Senatoren" (poln. (Uroczyste) Zgromadzenie Posłów i Senatorów).[4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historisch stand der Nationalversammlung 1921 bis 1935 darüber hinaus gemäß der „Märzverfassung“ das Recht zur Wahl des Staatspräsidenten sowie zur Revision der Verfassung alle 25 Jahre ab dem Erstbeschluss zu.[5] Von der Letztgenannten wurde nie Gebrauch gemacht, da die Verfassung auf einem anderen Wege geändert und die Nationalversammlung aufgehoben wurde. Die Nationalversammlung bestand gemäß der „Märzverfassung“ aus 444 Sejm-Abgeordneten und 111 Senatoren, hatte also 555 Mitglieder.

Nach der Wiedereinführung 1989 war die Nationalversammlung zur Wahl des Staatspräsidenten befähigt, was nur einmal geschehen ist. Eine Verfassungsänderung 1990 sprach ihr dieses Recht ab, stattete sie aber mit dem Recht und der Aufgabe der Änderung der Verfassung sowie bis 1992 zur Feststellung der Gültigkeit der Präsidentenwahl aus. Die derzeitige Verfassung wurde 1997 von der Nationalversammlung beschlossen. Sie sieht eine direkte Wahl des Präsidenten durch das Volk und die Verfassungsänderung durch separate Beschlüsse von Sejm und Senat vor.

Sitzungen der Nationalversammlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

23. Dezember 2005: Vereidigung von Lech Kaczyński
6. August 2010: Vereidigung von Bronisław Komorowski
4. Juni 2014: Ansprache des Präsidenten
  1. 9. Dezember 1922 – Wahl des Präsidenten der Republik Polen[6]
  2. 11. Dezember 1922 – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Gabriel Narutowicz[6]
  3. 20. Dezember 1922 – Wahl des Präsidenten der Republik Polen und Entgegennahme des Amtseides von Stanisław Wojciechowski[7]
  4. 31. Mai 1926 – Wahl des Präsidenten der Republik Polen (gewählt wurde Józef Piłsudski, er nahm jedoch die Wahl nicht an)[8]
  5. 1. Juni 1926 – Wahl des Präsidenten der Republik Polen[9]
  6. 4. Juni 1926 – Warschau, Königsschloss – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Ignacy Mościcki[9]
  7. 8. Mai 1933 – Warschau, Sejmgebäude – Wahl des Präsidenten der Republik Polen[2]
  8. 9. Mai 1933 – Warschau, Königsschloss – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Ignacy Mościcki (2. Amtszeit)[10]
  9. 19. Juli 1989 – Warschau, Sejmgebäude – Wahl des Präsidenten der Volksrepublik Polen, Entgegennahme des Amtseides von Wojciech Jaruzelski[11] und Ansprache des Präsidenten
  10. 22. Dezember 1990 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Lech Wałęsa[12]
  11. 23. April 1992 – Warschau, Sejmgebäude – Verabschiedung des Verfassungsgesetzes
  12. 17. Oktober 1992 – Warschau, Sejmgebäude – Verabschiedung des Verfassungsgesetzes
  13. 22. September 1994 – Warschau, Sejmgebäude – Beschluss über die Geschäftsordnung der Nationalversammlung
  14. 23. Dezember 1995 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Aleksander Kwaśniewski
  15. 19. Januar 1996 – Warschau, Sejmgebäude – Beschluss über die Änderung der Geschäftsordnung der Nationalversammlung
  16. 2. April 1997 – Warschau, Sejmgebäude – Verabschiedung der Verfassung
  17. 6. Dezember 2000 – Warschau, Sejmgebäude – Beschluss über die Geschäftsordnung der Nationalversammlung
  18. 23. Dezember 2000 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Aleksander Kwaśniewski (2. Amtszeit) sowie Ansprache des Präsidenten[3]
  19. 23. Dezember 2005 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Lech Kaczyński sowie Ansprache des Präsidenten[13]
  20. 6. August 2010 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Bronisław Komorowski sowie Ansprache des Präsidenten[14]
  21. 29. Mai 2014 – Warschau, Sejmgebäude – Beschluss über die Geschäftsordnung der Nationalversammlung
  22. 4. Juni 2014 – Warschau, Sejmgebäude – Ansprache des Präsidenten Bronisław Komorowski[15]
  23. 6. August 2015 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Andrzej Duda[16]
  24. 15. April 2016 – Posen, Messehalle – Ansprache des Präsidenten Andrzej Duda[17]
  25. 5. Dezember 2017 – Warschau, Sejmgebäude – Ansprache des Präsidenten Andrzej Duda aus dem Anlass des beginnenden 100. Jubiläumsjahres der Unabhängigkeit der polnischen Republik[4]
  26. 13. Juli 2018 – Warschau, Königsschloss – Ansprache des Präsidenten Andrzej Duda aus dem Anlass des 550. Jubiläums des polnischen Parlamentarismus[4]
  27. 6. August 2020 – Warschau, Sejmgebäude – Entgegennahme des Amtseides vom Präsidenten der Republik Polen Andrzej Duda (2. Amtszeit)[4]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej z dnia 2 kwietnia 1997 r. uchwalona przez Zgromadzenie Narodowe w dniu 2 kwietnia 1997 r., przyjęta przez Naród w referendum konstytucyjnym w dniu 25 maja 1997 r., podpisana przez Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej w dniu 16 lipca 1997 r. In: Dziennik Ustaw auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 2. April 1997, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  2. a b Protokół z posiedzenia Zgromadzenia Narodowego dla wyboru Prezydenta Rzeczypospolitej w Warszawie z dnia 8 maja 1933 r. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 9. Mai 1933, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  3. a b Protokół posiedzenia Zgromadzenia Narodowego, zwołanego w celu złożenia przysięgi przez nowo wybranego Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 23. Dezember 2000, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  4. a b c d e Zgromadzenie Narodowe. In: Website des Sejm, www.sejm.gov.pl. Abgerufen am 25. April 2021 (polnisch).
  5. Ustawa z dnia 17 marca 1921 r. – Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej. In: Dziennik Ustaw auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 17. März 1921, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  6. a b Protokuł przekazania władzy przez Naczelnika Państwa Józefa Piłsudskiego Prezydentowi Rzeczypospolitej Gabrjelowi Narutowiczowi. In: Dziennik Ustaw auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 15. Dezember 1922, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  7. Protokuł przekazania władzy przez Marszałka Sejmu Macieja Rataja Prezydentowi Rzeczypospolitej Polskiej Stanisławowi Wojciechowskiemu. In: Dziennik Ustaw auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 21. Dezember 1922, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  8. Daria Nałęcz, Tomasz Nałęcz: Józef Piłsudski, premier Rzeczypospolitej 2 X 1926–27 VI 1928, 25 VIII–4 XII 1930. In: Andrzej Chojnowski, Piotr Wróbel (Hrsg.): Prezydenci i premierzy Drugiej Rzeczypospolitej. Zakład Narodowy imienia Ossolińskich, Wydawnictwo, Breslau, Warschau, Krakau 1992, ISBN 83-04-03854-4, S. 248–249.
  9. a b Protokół przekazania władzy przez Marszałka Sejmu Macieja Rataja Prezydentowi Rzeczypospolitej Ignacemu Mościckiemu. In: Dziennik Ustaw auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 4. Juni 1926, abgerufen am 9. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  10. Protokół Zgromadzenia Narodowego dnia 9 maja 1933 r. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 9. Mai 1933, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  11. Jaruzelski wurde zum Präsidenten der Volksrepublik Polen gewählt, erst ab 31. Dezember 1989 lautete die Amtsbezeichnung Präsident der Republik Polen. Uchwała Zgromadzenia Narodowego z dnia 19 lipca 1989 r. w sprawie wyboru Prezydenta Polskiej Rzeczypospolitej Ludowej. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 19. Juli 1989, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  12. Uchwała Zgromadzenia Narodowego z dnia 22 grudnia 1990 r. w sprawie stwierdzenia ważności wyboru Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 22. Dezember 1990, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  13. 5 kadencja, Zgromadzenie Narodowe (23.12.2005). In: Monitor Polski, sejm.gov.pl. 23. Dezember 2005, abgerufen am 7. Dezember 2012.
  14. Protokół posiedzenia Zgromadzenia Narodowego zwołanego w celu złożenia przysięgi przez nowo wybranego Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 24. September 2010, abgerufen am 7. Dezember 2012 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).
  15. Protokół Zgromadzenia Narodowego zwołanego w celu wysłuchania orędzia Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. In: Monitor Polski. 27. Juni 2014, abgerufen am 25. Mai 2015.
  16. Andrzej Duda złoży przysięgę 6 sierpnia. In: TVN24.pl, 24. Mai 2015 (polnisch).
  17. Postanowienie Marszałka Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej z dnia 9 marca 2016 r. w sprawie zwołania Zgromadzenia Narodowego w celu wysłuchania orędzia Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. In: Monitor Polski auf der Website des ISAP. Kanzlei des Sejm, 9. März 2016, abgerufen am 5. Januar 2018 (polnisch, PDF-Datei s. Tekst ogłoszony).