Metachromatische Leukodystrophie

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Klassifikation nach ICD-10
E75.2 Sonstige Sphingolipidosen
Metachromatische Leukodystrophie
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die metachromatische Leukodystrophie (von altgriechisch μετά meta, deutsch ‚neben‘ (im Sinne einer Abweichung) und altgriechisch χρῶμα chroma, deutsch ‚Farbe‘, siehe auch Metachromasie, sowie altgriechisch λευκός leukós, deutsch ‚weiß‘, altgriechisch δύς dýs, deutsch ‚schlecht‘ und altgriechisch τροφή trophé, deutsch ‚Ernährung‘), MLD, auch Arylsulfatase-A-Mangel genannt, gehört zur Gruppe der Lipidspeicherkrankheiten (Sphingolipidosen). Sie führt zu einer Degeneration der weißen Substanz oder einer Demyelinisation.

Epidemiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Häufigkeit wird mit 1:40.000 angegeben ohne Geschlechterpräferenz.[1] Die Erkrankung scheint autosomal-rezessiv vererbt zu werden, wobei verschiedene Gene beteiligt sind.[2]

Klinik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Je nach Manifestationsalter werden verschiedene Unterformen unterschieden:[3][4]

  • Spätinfantile Form (40 %), Synonyme: Metachromatische Leukodystrophie Typ Greenfield; spätinfantile Form
  • Juvenile Form (40 %), Synonyme: Metachromatische Leukodystrophie Typ Scholz; juvenile Form
  • Adulte Form (20 %), Synonyme: Metachromatische Leukodystrophie Typ Austin; adulte Form

Die ersten Symptome treten bei zuvor unauffälligen Kindern auf mit chronischer Verschlechterung. Als Hauptsymptome treten zunächst Gangunsicherheit, Ataxie,[1] Verlust der Sprachfähigkeiten[5] sowie schlaffe Lähmungen auf. Im Verlauf entwickeln sich spastische Lähmungen. Typisch ist auch ein Visusverlust, der durch eine Optikusatrophie verursacht wird und sich in der Augenhintergrundspiegelung durch eine abgeblasste Papille darstellen lässt. Weitere Symptome sind Demenz, Gallenblasenentzündung und die Bildung von Gallensteinen, die zu Koliken führen können.

Ursache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die metachromatische Leukodystrophie wird durch einen Mangel an Arylsulfatase A verursacht. Dadurch kann die Sulfatgruppe sulfatierter Glycosphingolipide nicht abgespalten und die Lipide können nachfolgend nicht wie üblich im Lysosom weiter degradiert werden: Sie akkumulieren dort. Es kommt zu einer Speicherung von Sulfatid vor allem in den Markscheiden des ZNS und PNS mit nachfolgender Markscheidendegeneration.

Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Störung der weißen Substanz kann durch eine Schädel-Magnetresonanztomographie entdeckt werden. Typische Befunde sind:

Differentialdiagnostisch sind Morbus Krabbe, ADEM, Adrenoleukodystrophie und Multipler Sulfatase-Mangel abzugrenzen.[3]

Bestätigt wird die Diagnose über die Bestimmung der Arylsulfatase A im Harn. Als spezifisch gilt die verminderte Aktivität der Arylsulfatase A in Leukozyten.[5]

In der Skelettmuskulatur dominiert eine Typ-1-Muskelfaseratrophie.[6]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis Anfang 2021 gab es keine kausale Therapie, so dass nur symptomatische Therapie versucht werden konnte. Seit Mai 2021 ist eine Gentherapie mit dem Handelsnamen Libmeldy (Hersteller: Orchard Therapeutics) in Deutschland und anderen Ländern verfügbar.[7][8] Dabei wird mit Hilfe transgener, also veränderter Lentiviren die intakte Nukleinsäure-Sequenz des für die Krankheit verantwortlichen Gens in die Blutstammzellen des Patienten integriert. Das Verfahren macht sich den Umstand zunutze, dass Lentiviren, wie beispielsweise das HIV, Teile ihres Genoms in das Genom der Wirtszellen integrieren.[9] Im November 2021 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Libmeldy bewertet und einen erheblichen „Zusatznutzen“ gesehen / bestätigt. Die Kosten für die einmalige Anwendung liegen bei ca. 2,3 Mio. Euro.[10]

Andere Ansätze untersuchen die Gabe gentechnisch hergestellter Arylsulfatase A über einen Katheter in das Gehirn.[11]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b J. P. Kuhn, T. L. Slovis, J. O. Haller (Hrsg.): Caffey's Pediatric Diagnostic Imaging. 10. Auflage. Mosby, 2004, ISBN 0-323-01109-8.
  2. (Memento vom 30. Dezember 2013 im Internet Archive) MLD Foundation. Abgerufen am 4. April 2024.
  3. a b M. van derKnaap, J. Valk: Magnetic Resonance of Myeliation and Myelin Disorders. Springer, 2005, ISBN 3-540-22286-3.
  4. Bernfried Leiber (Begründer): Die klinischen Syndrome. Syndrome, Sequenzen und Symptomenkomplexe. Hrsg.: G. Burg, J. Kunze, D. Pongratz, P. G. Scheurlen, A. Schinzel, J. Spranger. 7., völlig neu bearb. Auflage. Band 2: Symptome. Urban & Schwarzenberg, München u. a. 1990, ISBN 3-541-01727-9.
  5. a b (Memento vom 31. Dezember 2013 im Internet Archive) Myelinprojekt: Metachromatiche Leukodystrophie. Abgerufen am 4. April 2024.
  6. Tobias Müller, Stephan Zierz: Pathologie der Skelettmuskulatur. In: Stephan Zierz (Hrsg.): Referenz-Reihe Neurologie: Klinische Neurologie: Muskelerkrankungen. Thieme Stuttgart 2014, DOI:10.1055/b-0034-97105, S. 41.
  7. Libmeldy. (PDF) European Medicines Agency, abgerufen am 23. Mai 2021.
  8. Pipeline. Abgerufen am 18. Mai 2021 (englisch).
  9. Alessandra Biffi u. a.: Lentiviral Hematopoietic Stem Cell Gene Therapy Benefits Metachromatic Leukodystrophy. 2013.
  10. Arzneimittel gegen seltene Krankheiten: Gentherapie Libmeldy® zeigt Zusatznutzen – Zelltherapie Zolgensma® dagegen nicht, PM G-BA vom 4. November 2021, abgerufen am 4. November 2021
  11. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01510028.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]