Madelaine Böhme

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Madelaine Böhme (* 1967 in Plowdiw, Bulgarien) ist eine deutsche Geowissenschaftlerin, Paläontologin und seit Ende 2009[1] Professorin für Paläoklimatologie an der Universität Tübingen. Ihr Spezialgebiet ist die terrestrische Paläoklimatologie und die Evolution von frühen Menschenaffen.

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Madelaine Böhme ist die Tochter eines Mathematikers, der sie alleine großziehen musste, weil ihre Mutter bei der Geburt gestorben war. Er hat bei seiner Tochter früh das Interesse für die Natur und wissenschaftliche Fragen geweckt. Schon als Kind sammelte sie tote Tiere und Knochen. Bereits mit 12 Jahren war Böhme an einer Ausgrabung in ihrer Geburtsstadt Plowdiw beteiligt und hat unter anderem ein Bronzeamulett gefunden. Mit 19 Jahren konnte Böhme heimlich ihr erstes Tier, einen Elefanten, ausgraben.[2] Böhme legte 1986 ihr Abitur in Dresden ab und absolvierte 1987 bis 1992 ein Studium der Geologie am Institut für Geologie der TU Bergakademie Freiberg, das sie Anfang 1993 mit dem Diplom in Geologie abschloss. In den Folgejahren war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig, wo sie Anfang 1997 im Fach Geologie-Paläontologie promoviert wurde.[3] Ihre unveröffentlichte Dissertation trägt den Titel Revision der oligozänen und untermiozänen Vertreter der Gattung Palaeoleuciscus (Teleostei, Cyprinidae) Mitteleuropas.[4]

Als post-doc-Stipendiatin und Forschungsstipendiatin, ab 2001 im Rahmen einer Habilitationsstelle, arbeitete sie in den Jahren 1998 bis 2006 am Institut für Paläontologie und historische Geologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2003 habilitierte sie sich am Department für Geo- und Umweltwissenschaften mit der Arbeit Paläoklima und aquatische Ökosysteme im Neogen Europas.[4] Von 2007 bis 2009 war Böhme Heisenberg-Stipendiatin der DFG. Dann wurde sie Professorin in Tübingen. Derzeit ist sie Fellow der Carl Friedrich von Siemens Stiftung.[5]

Böhme forscht schwerpunktmäßig zur Evolution der frühen Menschen und ihrer Vorläufer und ihre Beziehung zur Klimaentwicklung während der letzten 25 Millionen Jahre. Ihre Studien zur Klimaentwicklung in Europa während des Miozäns wurden in mehreren internationalen Fachzeitschriften publiziert.[6][7] Sie führte Grabungsprojekte u. a. in Südosteuropa, Vietnam, Laos, Westsibirien und Süddeutschland durch.[1] In Südostasien war sie neben anderen Schwerpunkten auch an der Fossillagerstätte Na Dương tätig.[8][9]

Untersuchungen zu Graecopithecus freybergi[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2017 untersuchte Böhme zusammen mit einem Forscherteam einen in Griechenland gefundenen Unterkiefer und einen Zahn aus Bulgarien, die dem Vormenschen Graecopithecus freybergi zugeschrieben werden. Die Wissenschaftler datierten die Funde auf ein Alter von 7,175 bzw. 7,24 Millionen Jahre, womit sie älter als der älteste bisher bekannte Vormensch Sahelanthropus seien, der aus Afrika stammt. Dies lässt aus ihrer Sicht den Schluss zu, dass die Abspaltung der Entwicklungslinien von Vormenschen und Schimpansen früher als bisher vermutet im östlichen Mittelmeerraum stattgefunden haben könnte, und nicht wie bisher angenommen in Afrika.[10][11][12][13]

Erstbeschreibung von Danuvius guggenmosi[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2019 beschrieb Böhme mit ihrem Team erstmals die 11,62 Millionen Jahre alte ausgestorbene Menschenaffenart Danuvius guggenmosi,[14] die sich möglicherweise bereits zweibeinig und auch kletternd im jetzigen Ostallgäu fortbewegte.[15] Zum ersten Mal wurden mehrere funktionell wichtige Gelenke in einem fossilen Skelett dieses Alters gefunden, einige Knochen ähnelten mehr dem Menschen als dem Menschenaffen. Der Fundort war die Tongrube Hammerschmiede im Allgäu. Böhme gab dem Fund den unwissenschaftlichen Kurznamen „Udo“, weil am Tag des Fundes Udo Lindenberg seinen 70. Geburtstag feierte. Neuerdings wird Böhmes Analyse der Skelettteile von Danuvius guggenmosi auch angezweifelt.[16]

Auftritte in Dokumentarfilmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Terra X: Der Rhein (1/2): Von Vulkanen und Riesenflößen, 2016[17]
  • Europa – Wiege der Menschheit? Dokumentarfilm von Florian Breier und Rüdiger Braun.[18][19][20]

Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Madelaine Böhme, Rüdiger Braun, Florian Breier: Wie wir Menschen wurden – Eine kriminalistische Suche nach Hinweisen auf die Ursprünge der Menschheit. Heyne, München, 2019, ISBN 978-3-453-20718-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Michael Seifert: Neu berufen: Madelaine Böhme. In: Newsletter Uni Tübingen aktuell. 3/2010, 2010, abgerufen am 7. Mai 2020.
  2. Hella Kemper: Was war Ihr erster großer Fund, Madelaine Böhme? Ein Interview. In: Die Zeit Nr. 7 vom 8. Februar 2024 S. 34
  3. Prof. Dr. Madelaine Böhme. In: AcademiaNet. Abgerufen am 7. Mai 2020 (englisch).
  4. a b Madelaine Böhme: Publikationsverzeichnis. In: wahre-staerke.com. Abgerufen am 7. Mai 2020 (englisch).
  5. Was war Ihr erster großer Fund, Madelaine Böhme? "Ein Elefant. Ich war 19 und verstaute ihn in der Garage"
  6. Madelaine Böhme: The Miocene Climatic Optimum: evidence from ectothermic vertebrates of Central Europe. (pdf; 1 MB) In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. 195, Nr. 3–4, Juni 2003, S. 389–401, abgerufen am 7. Mai 2020 (englisch, doi:10.1016/S0031-0182(03)00367-5).
  7. Madelaine Böhme, August Ilg, Michael Winklhofer: Late Miocene “washhouse” climate in Europe. (pdf; 1,3 MB) In: Earth and Planetary Science Letters. 275, Nr. 3–4, November 2008, S. 393–401, abgerufen am 7. Mai 2020 (englisch, doi:10.1016/j.epsl.2008.09.011).
  8. Madelaine Böhme, Jérôme Prieto, Simon Schneider, Nguyen Viet Hung, Do Duc Quang, Dang Ngoc Tran: The Cenozoic on-shore basins of Northern Vietnam: Biostratigraphy, vertebrate and invertebrate faunas. In: Journal of Asian Earth Sciences. 40 (2), 2011, S. 672–687, doi:10.1016/j.jseaes.2010.11.002.
  9. Madelaine Böhme, Manuela Aiglstorfer, Pierre-Olivier Antoine, Erwin Appel, Philipe Havlik, Grégoire Métais, Laq The Phuc, Simon Schneider, Fabian Setzer, Ralf Tappert, Dang Ngoc Tran, Dieter Uhl, Jérôme Prieto: Na Duong (northern Vietnam) – an exceptional window into Eocene ecosystems from Southeast Asia. In: Zittelian.a A 53, 2013, S. 120–167.
  10. Jochen Fuss, Nikolai Spassov, David R. Begun, Madelaine Böhme: Potential hominin affinities of Graecopithecus from the Late Miocene of Europe. In: PLOS ONE. 12, Nr. 5, 22. Mai 2017, S. e0177127, abgerufen am 23. Mai 2017 (englisch, ISSN 1932-6203, doi:10.1371/journal.pone.0177127).
  11. Evolution: Stammen die ersten Vormenschen vom Balkan? In: Zeit Online. 22. Mai 2017, abgerufen am 7. Mai 2020.
  12. War ältester Vormensch ein Europäer? In: orf.at. 22. Mai 2017, abgerufen am 7. Mai 2020.
  13. Neue Theorie. Forscher verlegen Wiege der Menschheit von Afrika nach Europa. In: spiegel.de. 22. Mai 2017, abgerufen am 15. August 2020.
  14. Madelaine Böhme u. a.: A new Miocene ape and locomotion in the ancestor of great apes and humans. In: Nature, 6. November 2019, doi:10.1038/s41586-019-1731-0.
  15. Nicole Köster: Madelaine Böhme, Geowissenschaftlerin und Paläontologin gelang ein spektakulärer Fund. (mp4-Video; 75,5 MB; 32:28 Minuten) In: SWR1-Baden-Württemberg-Sendung „Leute“. 17. Dezember 2019, abgerufen am 7. Mai 2020.
  16. Urs Willmann: Ein neuer Forscherstreit über den aufrechten Gang: Auch das noch! in: DIE ZEIT, Nr. 41, 1. Oktober 2020, S. 33
  17. Der Rhein (1/2): Von Vulkanen und Riesenflößen. Abgerufen am 29. März 2023 (Zeitstempel 02:47).
  18. Bayerischer Rundfunk: Europa - Wiege der Menschheit? 29. August 2022, abgerufen am 29. März 2023.
  19. Europa - Wiege der Menschheit (2019);
  20. „Deutsche TV-Premiere: 08.02.2020 arte“, laut www.fernsehserien.de, abgerufen am 15. August 2020.