Ludwig Psenner (Politiker)

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Ludwig Psenner (geb. 29. Mai 1834 in Bozen; gest. 5. Februar 1917 in Wien) war ein österreichischer Beamter, Fotograf, Politiker (CS), Fachschriftsteller und antisemitischer Publizist.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ludwig Psenner war der Enkel des Malers Anton Psenner. Er studierte Jus an der Universität München und der Universität Innsbruck, wo er 1861 sub auspiciis Imperatoris promovierte. 1858–1864 war er Beamter in der niederösterreichischen Statthalterei und führte daneben ab 1862 ein Fotoatelier in Wien.

Seit den 1880er Jahren wurde er eine wichtige Figur des politischen Katholizismus in Österreich, als dessen bedeutender Vordenker Karl von Vogelsang (1818–1890) gilt.[1] Psenner wurde 1882 Mitglied des Österreichischen Reformvereins, einer antiliberalen und stark antisemitischen Organisation des gewerblichen Mittelstandes. 1884 übernahm er von Karl von Zerboni[2] als Eigentümer, Herausgeber und Redakteur dessen Wochenzeitung „Volksfreund“,[3] die bis zur Gründung der „Reichspost“ das einzige christlichsoziale Sprachrohr blieb. Von nun an wurden in dieser Zeitung sozialdarwinistische Theorien, unterlegt mit vagen theologischen Gedanken, veröffentlicht. Mit einem christlichen Antisemitismus sollte den „zersetzenden“ Einflüssen des „jüdischen Finanzkapitals“ Einhalt geboten werden, wobei Psenner sich den Tag zurückwünschte, an welchem es noch keine „jüdischen Irrlehren“ und Professoren gegeben habe und die Jugend, das Handwerk und die Presse vor der „Schmutzkonkurrenz“ der „asiatischen Fremdlinge“ Schutz gefunden hätten.[4] Der Historiker Werner Jochmann hebt – dabei einen der Briefe Psenners zitierend – hervor:

„Der Priester [sic!] Ludwig Psenner hatte keinerlei Bedenken, mit dem Atheisten Marr zusammenzuarbeiten. Er bedankte sich vielmehr für die ‚ausgezeichneten Artikel, die hier allerseits außerordentlichen Beifall finden und meinem Blatte vorwärtshelfen.‘[5]

Nach dem Scheitern des Reformvereins infolge von Auseinandersetzungen mit den Deutschnationalen gründete Psenner 1887 mit dem Politiker Ernst Schneider (1850–1913) und dem Seelsorger Adam Latschka (1847–1905) den Christlichsozialen Verein, dessen Präsident er war, und von dem die spätere Christlichsoziale Partei ihren Namen hat bzw. aus dem diese hervorging. Der auf dem „Boden der katholischen Kirche“ stehende neue Verein (H. Moritz) bildete vorübergehend die gemeinsame Plattform aller antiliberalen Kräfte (Demokraten, Dt.Nationale, Antisemiten, Christlichsoziale) in Wien.[6] Bei der Versammlung des Christlichsozialen Vereins 1887 waren auch der ungarische Kleriker Franz Komlossy (1853–1915) und der Reichsratsabgeordnete (und spätere Wiener Bürgermeister) Karl Lueger (1844–1910) zugegen, und es wurden antisemitische Hetzreden gehalten.[7] Ludwig Psenner verfasste 1896 das erste von der Parteileitung empfohlene christlichsoziale Programm.

Aufgrund eines Augenleidens zog er sich allmählich von der Tagespolitik zurück. Von 1897 bis 1910 führte er den Franziskanerkeller in Wien. Ab 1911 erhielt er eine Ehrenpension der Gemeinde Wien.[8]

Ludwig Psenner war verheiratet und hatte zwei Söhne.[9] Ihm wurde ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof gewidmet.[10]

Publikationen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Rettung aus dem socialen Elend. (7 Bände, 1894–1897)
  • Christliche Volkswirtschaftslehre für Freunde des Volkes. 3 Teile in 3 Bänden. Graz und Leipzig: Ulrich Moser 1907–1908
  • Religion und Volkswohl oder Volkswirtschaftliches Leben seit der Reformation. Graz: Ulrich Moser, 1910

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • H. Moritz: „Psenner, Ludwig (1834–1917), Politiker und Fachschriftsteller“ (Österreichisches Biographisches Lexikon)
  • Artikel: "Psenner, Ludwig", in: Deutsche biographische Enzyklopädie (DBE), herausgegeben von Rudolf Vierhaus. 2., überarbeitete und erweiterte Ausgabe. Band 8: Poethen – Schlüter. 2007, S. 101
  • Inge Zelinka: Der autoritäre Sozialstaat: Machtgewinn durch Mitgefühl in der Genese staatlicher Fürsorge. (Politische Soziologie Österreichs). 2005
  • Peter G.J. Pulzer: Lueger's Heritage: anti-semitism in Austrian Party Policies, S. 700 ff., in: Herbert A. Strauss (Hrsg.): Hostages of Modernization, Austria, Hungary, Poland, Russia: Studies on Modern Antisemitism, 1870–1933/39. (Current Research on Antisemitism) 1993
  • Frank Olaf Luckscheiter: Matthäus Much, „Schliemann Niederösterreichs“ und deutschnationaler Antisemit. Die politische und weltanschauliche Färbung seiner wissenschaftlichen Arbeit im Spiegelbild seiner Zeit. Wien 2012 (Online)
  • Wiard von Klopp (Hrsg.): Die sozialen Lehren des Freiherrn Karl von Vogelsang. Grundzüge einer christlichen Gesellschafts- und Volkswirtschaftslehre nach Vogelsangs Schriften. Reinhold, Wien u. a. 1938.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Auf den Reklamemarken des Karl Vogelsang-Bundes beispielsweise ist Ludwig Psenner zusammen mit Papst Leo XIII., Karl von Vogelsang, Wilhelm Emanuel Ketteler, Josef Deckert und Karl Lueger zu finden.
  2. vgl. Michael Wladika: Hitlers Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k.u.k. Monarchie. Böhlau, Wien 2005, ISBN 978-3205773375, S. 185.
  3. vgl. Martina Aicher: „Der österreichische Volksfreund (Österreich, 1881–1897)“, in: Handbuch des Antisemitismus. 2013, S. 512 f. – Eine ältere Zeitschrift namens Österreichischer Volksfreund wurde vom Katholikenverein für Glauben, Freiheit und Gesittung herausgegeben und erschien von 1848 bis 1877 in Wien. Siehe auch die noch ältere Unternehmung: Der österreichische Volksfreund (Wien, In Commission bey Franz Wimmer, 1831) bei Google Books.
  4. Frank Olaf Luckscheiter: Matthäus Much, „Schliemann Niederösterreichs“ und deutschnationaler Antisemit. S. 113–114.
  5. Werner Jochmann: „Struktur und Funktion des deutschen Antisemitismus“, S. 389 ff., in: W. E. Mosse und A. Paucker (Hrsg.): Juden im Wilhelminischen Deutschland 1890–1914. (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts, Band 33) 1998, S. 420, Anm. 11.
  6. H. Moritz: "Psenner, Ludwig (1834–1917), Politiker und Fachschriftsteller" (ÖBL)
  7. Inge Zelinka: Der autoritäre Sozialstaat: Machtgewinn durch Mitgefühl in der Genese staatlicher Fürsorge. (Politische Soziologie Österreichs). 2005, S. 315 (dort nach: Klopp: Leben und Wirken. Vgl. Peter G.J. Pulzer, S. 705).
  8. (Ehrengrab für einen Tiroler in Wien). In: Innsbrucker Nachrichten, 8. Februar 1917, S. 7 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/ibn
  9. Dr. Ludwig Psenner. In: Reichspost, 17. Oktober 1896, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rpt
  10. Schriftsteller Dr. Ludwig Psenner †. In: Reichspost, 6. Februar 1917, S. 17 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rpt