Luc Boltanski

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Luc Boltanski (* 4. Januar 1940) ist ein französischer Soziologe. Er ist Forschungsdirektor an der École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris. Sein Hauptinteresse innerhalb der Soziologie gilt den Fragen der Moral und der Politik. Ursprünglich Schüler von Pierre Bourdieu, ging er im Lauf der 1980er Jahre immer mehr auf Distanz zu diesem.[1] Der Künstler Christian Boltanski (1944–2021) war sein Bruder. Sein Sohn ist der Schriftsteller und Journalist Christophe Boltanski.

Im Herbst 2008 hielt Boltanski die Frankfurter Adorno-Vorlesungen mit dem Obertitel „Soziologie und Sozialkritik“.[2]

Lehre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Boltanski und Laurent Thévenot haben in ihrer Soziologie der kritischen Urteilskraft (2007, 2014) dargelegt, dass die Sphäre der Inspiration, wo es um die Erleuchtung, geistige Vollendung, innere Bewegtheit und phantastische Erhabenheit, kurz die Ideenwelt eines einzelnen Menschen geht, sich nach ganz anderen Regeln gestaltet als die Sphären der familialen Tradition (Familie), der öffentlichen Meinung (Gesellschaft), des industriellen Betriebs (Arbeitswelt) oder des freien Marktes (Warenwelt), in denen sich dasselbe Individuum bewegt. Keine dieser Sphären geht in einer der anderen auf. Das alltägliche Leben hat mit Präsentationen, Infragestellungen, Übergängen und Kompromissen innerhalb dieser Sphären und zwischen ihnen zu tun.

Dabei identifizieren die Verfasser sechs für unsere heutige Gesellschaft konstitutive Rechtfertigungsordnungen, die, ideengeschichtlich gesehen, in Werken der politischen Philosophie Gestalt angenommen haben: die der Inspiration bei Augustinus, der häuslichen Sphäre bei Bossuet, des Ruhmes und der öffentlichen Meinung bei Hobbes, des Marktes bei Adam Smith, des Staatsbürgers bei Rousseau und der Industrie bei Henri de Saint-Simon. Wie die Autoren unter anderem am Beispiel einer systematischen Analyse von Managementstrategien zeigen, können all diese 6 Rechtfertigungsordnungen in spezifischen gesellschaftlichen Bereichen gleichzeitig präsent sein und den Akteuren als Ausgangspunkt und als Bezugspunkt in ihrem Bemühen um Verständigung mit und Anerkennung bei anderen dienen. Mit ihnen lassen sich auch viele Konflikte erklären, die dann entstehen, wenn die Beteiligten sich, bewusst oder unbewusst, auf unterschiedliche Ordnungen beziehen, diese also vermengen.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke auf Deutsch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Artikel

Interviews

Werke auf Französisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Énigmes et complots. Une enquête à propos d'enquêtes. Éditions Gallimard, Paris 2012.
  • mit Arnaud Esquerre und Jeanne Lazarus: Comment s'invente la sociologie. Parcours, expériences et pratiques croisés. Flammarion, Paris 2024, ISBN 978-208042538-6.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michael Tillmann, Der französische Soziologe Luc Boltanski. In: Luc Boltanski, Eve Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz, 2003, S. 703, Anmerkung 1
  2. Von der Notwendigkeit der Kritik, Frankfurter Rundschau vom 24. November 2008
  3. Zusammenfassung; Soziale Kampfeinheiten in der taz, 20. Dezember 2003; Projektgeister (Memento vom 9. April 2014 im Internet Archive) von Klaus Neundlinger in Datum 06/07