Juri Julianowitsch Schewtschuk

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Juri Schewtschuk 2013
Unterschrift von Juri Schewtschuk
Unterschrift von Juri Schewtschuk

Juri Julianowitsch Schewtschuk (russisch Юрий Юлианович Шевчук; wiss. Transliteration Jurij Julianovič Ševčuk; * 16. Mai 1957 in Jagodnoje, Oblast Magadan, Russische SFSR, Sowjetunion) ist ein russischer Sänger, Musiker, Dichter, Komponist, Produzent und Schauspieler. Bekannt wurde er als Begründer und Leadsänger der in der baschkirischen Hauptstadt Ufa gegründeten Rockband DDT, die in den 1980er-Jahren zu den bekanntesten Bands des sowjetischen Underground gehörte und bis heute sehr populär ist.

Schewtschuk ist einer der bekanntesten Rockmusiker und Sänger Russlands und gleichzeitig engagierter Kritiker der Regierung Wladimir Putins. So beteiligte er sich 2008 am Marsch der Unzufriedenen. Internationale Aufmerksamkeit erlangte die Fernsehübertragung einer Diskussion zwischen Putin und Schewtschuk bei einem Empfang im Mai 2010 in Sankt Petersburg, wo der Musiker die Einhaltungen der Freiheitsrechte Andersdenkender in Russland einforderte.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine frühe Kindheit verbrachte Schewtschuk in Jagodnoje, dem Hauptort des Rajons Jagodnoje in der vor allem für seine Straflager und Goldminen bekannten Oblast Magadan. Sein Urgroßvater Mudaris Achmadejew war ein Mullah, der 1937 in Baschkortostan erschossen wurde. Väterlicherseits war Großvater Sosfen Iwanowitsch, ein Christ, von Kosaken, ebenfalls im Jahr 1937 bei Kansk erschossen worden.[2] 1964 übersiedelte die Familie nach Naltschik, die Hauptstadt Kabardino-Balkariens, 1970 schließlich nach Ufa, wo er seine Jugend verbrachte. Als Autodidakt erlernte Schewtschuk, Bajan und Gitarre und kam zum Glauben. 1975 begann er ein Studium an der künstlerisch-graphischen Fakultät des Staatlichen Baschkirischen Pädagogischen Instituts. In Ufa erlebte er Vernehmungen bei der Polizei, nachdem er ein Kruzifix auf sein T-Shirt gemalt und dazu geschrieben hatte "Jesus war ein Hippie".[3] Nach Erlangung des Künstlerdiploms wurde er einer Dorfschule zugeteilt, in der er drei Jahre lang Zeichenunterricht gab. Parallel spielte er in mehreren Bands, die auf Schulfesten und in Kulturhäusern auftraten. 1980 kehrte er zu seinen Eltern nach Ufa zurück. 1982 versuchte er spontan, in Gorki Sacharow zu treffen, dessen Haus jedoch bewacht wurde. 1984 wurde er verdächtigt, ein Agent des Vatikans zu sein.

Zu seinen Anti-Kriegs-Engagements gehört ein Song Nicht schießen, geschrieben während des noch andauernden Afghanistan-Krieges, und eine 1995 absolvierte Friedens-Tour in Tschetschenien.[4] Er engagierte sich im Balkan, als dort Krieg herrschte. Kirche bedeute Liebe und Geduld und Toleranz; das stehe über der Politik und habe rein gar nichts mit Politik zu tun:[3]

„Dass unsere russisch-orthodoxe Kirche mit der Politik zu verschmelzen versucht, ist ungeheuerlich“

Juri Julianowitsch Schewtschuk 2012

Einige Bekanntheit erreichte seine offene Auseinandersetzung mit Wladimir Putin bei einem Empfang 2010.[5][6] Nur wenige Menschen hatten so etwas zuvor gewagt, darunter Michail Chodorkowski.[7]

„Ich denke, wir ‚Bebrillten‘, die Fürsprecher für Veränderungen, werden sehr lange daran arbeiten müssen, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Damit sie an die Möglichkeit der Existenz eines freien Individuums, einer legalen Zivilgesellschaft und einer Demokratie in unserem Land glauben. (...) Dass die Regierung von diesen Problemen weiß, hat mich auch gefreut. Aber die traurige Wahrheit ist, dass nichts unternommen wird, dass es bisher nur eine Antwort gibt – Pathos, Heuchelei und Demagogie.“

Juri Julianowitsch Schewtschuk 2010

Schewtschuk lebte und arbeitete 2011 in Sankt Petersburg.

„Ich spreche davon, dass Fanatiker vor allem an den Teufel glauben, an seine Kraft. Schauen Sie sich Stalin, Lenin an. Irgendein Politiker, Hitler. Sehen Sie sich irgendeinen religiösen Fanatiker an, er glaubt mehr an die Macht des Bösen als an die Macht des Guten. Wieso? Weil er Angst hat. Er hat Angst vor Menschen. Er hat Angst, dass sie, wenn sie nicht bei ihm sind, wenn sie nicht an seiner Ideologie festhalten, irgendwo in die falsche Richtung getragen werden. Zum Bösen. Und ich habe keine Angst davor.“

Juri Julianowitsch Schewtschuk 2012

Schewtschuk kritisierte 2014, dass russische Truppen die Krim annektierten.

Am 24. Februar 2022 begannen russische Streitkräfte auf Befehl von Staatspräsident Putin den Überfall auf die Ukraine. Am ersten Tag des Überfalls auf die Ukraine gehörte er zu den Protestierenden.[8][9]

Schewtschuk ließ an seinen Konzerten das Publikum abstimmen; diese hätten stets für den Frieden gestimmt.[10] Am 18. Mai 2022[11] fragte er bei einem Konzert in Ufa (Baschkortostan) die 8000 Zuschauer, warum russische Jungs wieder sterben. Heimat bedeute die Babuschka am Bahnhof, die Kartoffeln verkaufe; Heimat sei nicht der Arsch des Präsidenten, der geküsst werden wolle. Polizisten verhörten Schewtschuk und schrieben ein Protokoll mit der Behauptung, er hätte die Streitkräfte diskreditiert (siehe auch Pressefreiheit in Russland). Gerichte in Schewtschuks Heimatstadt Sankt Petersburg schickten das Protokoll zurück und schrieben, es sei nicht ersichtlich, inwiefern Schewtschuk Soldaten beleidigt habe. Laut Medienberichten weigerten sich dort alle Richter, den Fall Schewtschuk zu verhandeln.[11]

Er wurde am 16. August 2022 zu einer Geldstrafe von umgerechnet 800 Euro verurteilt.[12]

Diskografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben seiner Tätigkeit als Bandleader der Musikgruppe DDT arbeitet Juri Schewtschuk auch als Solokünstler.

Erscheinungsjahr Originaltitel Transkribierter Titel Übersetzung/Anmerkungen
1983 Череповецкий магнитоальбом Tscherepowezki magnitoalbom Tscherepowezer Tonbandalbum
1992 Кочегарка Kotschegarka Heizraum
Aufnahme von 1985, Zusammenarbeit mit Alexander Baschlatschow
1998 82 г. 82 g. ’82
Aufnahme von 1982
2001 Два концерта. Акустика Dwa konzerta. Akustika Zwei Konzerte. Akustik
2005 Москва. Жара Moskwa. Schara Moskau. Hitze
Zusammenarbeit mit Sergei Iljitsch Rijschenko
2008 L’Echoppe Der Stall
Zusammenarbeit mit Konstantin Kasanski
2009 Сольник Solnik Solo
eine Sammlung von Gedichten, herausgegeben von der Nowaja gaseta
2023 Волки в тире Wolki w tirje Wölfe im Schießstand
Zusammenarbeit mit Dmitri Emeljanow (Дмитрий Емельянов)[13]

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spielfilme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erscheinungsjahr Originaltitel Transkribierter Titel Übersetzung/Anmerkungen
1988 Публикация Publikazija Die Publikation
1989 Лимита, или Четвертый сон Limita, ili Tschetwerty son Limita oder der vierte Traum
1990 Духов день Duchow den Pfingstmontag
1990 Город Gorod Die Stadt
2002 Вовочка Wowotschka Wowotschka
Koseform von Wladimir
2007 Антонина обернулась Antonina obernulas Antonina hat sich abgewandt
2011 Жила-была одна баба Schila-byla odna baba Es lebte einmal eine alte Frau

Fernsehserien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erscheinungsjahr Originaltitel Transkribierter Titel Übersetzung/Anmerkungen
2005 Атаман Ataman Ataman
Kosakenanführer
2008 Батюшка Batjuschka Väterchen
umgangssprachliche Bezeichnung für einen orthodoxen Priester

Dokumentarfilme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erscheinungsjahr Originaltitel Transkribierter Titel Übersetzung/Anmerkungen
1986 Я получил эту роль Ja polutschil etu rol Ich bekam diese Rolle
Dokumentarfilm über die Musikgruppe DDT
1987 Рок Rok Rock
Dokumentarfilm über die sowjetische Rockmusik der 1980er Jahre
1988 Игра с неизвестным Igra s neiswestnym Spiel mit dem Unbekannten
Dokumentarfilm über den musikalischen Underground der Sowjetunion zu Anfang der Perestroika
2002 Время ДДТ Wremja DDT DDT-Zeit
Dokumentarfilm über die Geschichte der Band DDT im Kontext verschiedener neuzeitlicher Ereignisse in Russland (z. B. Zerfall der Sowjetunion, Russische Verfassungskrise 1993, Erster und Zweiter Tschetschenienkrieg)
2004 Земное и небесное Semnoje i nebesnoje Irdisches und Himmlisches
als Moderator, Dokumentarserie über die Geschichte der Russisch-Orthodoxen Kirche
2006 Костя и мышь Kostja i mysch Kostja und die Maus
Dokumentarfilm über den russischen Dichter Konstantin Konstantinowitsch Kusminskij und dessen Frau Emma Kusminskaja, welche den Spitznamen "Maus" trug
2006 Посольская церковь Posolskaja zerkow Die Botschaftskirche
Dokumentarfilm über die Kirche der Fürbitte der Gottesgebärerin und des heiligen Alexander Newski des Exarchats der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa in Biarritz, Frankreich
2006 Свобода по-русски Swoboda po-russki Freiheit auf Russisch
Dokumentarserie über die Geschichte des Parlamentarismus in Russland
2012 Небо под сердцем Nebo pod serdzem Der Himmel unter dem Herzen
Dokumentarfilm über ein Konzert der Gruppe DDT vom 9. November 2011 im Sportkomplex Olimpijski

Synchronisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erscheinungsjahr Originaltitel Transkribierter Titel Übersetzung/Anmerkungen
2007 История государства Российского Istorija gosudarstwa Rossijskogo Die Geschichte des russischen Staates
Schewtschuk vertonte alle 500 Teile der Dokumentarserie

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erscheinungsjahr Originaltitel Transkribierter Titel Übersetzung/Anmerkungen
2000 Защитники Трои. Книга стихов и песен Saschtschitniki Troi. Kniga stichow i pesen Die Verteidiger von Troja. Buch der Gedichte und Lieder
2009 Сольник. Альбом стихов. Solnik. Albom stichow. Solo. Gedichtsalbum.

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Juri Schewtschuk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wie Wladimir Putin einmal kurz zum Demokraten wurde, Michael Pilz, Die Welt, 2. Juni 2010
  2. Ich verstehe sie, aber ich respektiere Stärke, nicht Gewalt (Memento vom 14. Mai 2021 im Internet Archive), Echho Moskwy, 16. April 2017
  3. a b Mit meinen eigenen Augen - Juri Schewtschuk (Memento vom 16. Februar 2022 im Internet Archive), Echo Moskwy, 22. Mai 2012
  4. Nicht Schiessen! (Memento vom 27. Januar 2021 im Internet Archive), Echo Moskwy, 2. März 2014
  5. Hallo, Schatz! (Memento vom 13. Mai 2021 im Internet Archive), Echo Moskwy, 4. Juni 2010
  6. В.Путин VS Ю.Шевчук. 29.05.10 V.Putin VS Y.Shevchuk, Video vom 29. Mai 2010
  7. Soviet Rock Star Prosecuted for ‘Putin’s Ass’ Anti-War Speech, Moscow Times, 19. Mai 2022
  8. Prominent Russians join protests against Ukraine war amid 1,800 arrests, theguardian.com, 25. Februar 2022
  9. „Unsere Jungs sterben dort!“, TAZ, 23. Mai 2022
  10. «Из нас делают пушечное мясо и нелюдей, из нас выбивают душу» Юрий Шевчук дал «Голосу Америки» большое интервью о войне. Вот несколько важных — и больших — цитат, Meduza, 1. Juli 2022; "Sie machen Kanonenfutter und Untermenschen aus uns, sie schlagen uns die Seele aus dem Leib"
  11. a b faz.net: „Heimat ist nicht der Hintern des Präsidenten, den man ständig küssen muss“
  12. faz.net
  13. Kampagnenseite bei https://planeta.ru/ (Crowd-Finanzierungsplattform). In: planeta.ru. 2023, abgerufen am 31. Juli 2023 (russisch).