Guanche

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Als Guanche werden in der populärwissenschaftlichen Literatur die ausgestorbenen Sprachen der Altkanarier bezeichnet. Diese Sprachen der Ureinwohner der Kanarischen Inseln werden den Berbersprachen zugeordnet.[1]

Bezeichnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gesamtheit der prähispanischen Bewohner der Kanarischen Inseln wird wissenschaftlich als Altkanarier bezeichnet. Guanchen waren nur die Bewohner Teneriffas. Sie waren die größte Bevölkerungsgruppe des Archipels und konnten der Eroberung, die im 15. Jahrhundert im Auftrag der Krone von Kastilien stattfand, am längsten widerstehen. Daher wird in der populärwissenschaftlichen Literatur die Bezeichnung Guanchen für alle Ureinwohner der Inseln des Archipels verwendet. Daraus ergibt sich, dass auch die Sprachen der Bewohner der anderen Kanarischen Inseln häufig unter dem Sammelbegriff Guanche zusammengefasst werden.[2] In der spanischsprachigen Fachliteratur werden teilweise die Begriffe Alte Sprachen der Kanaren (antiguas hablas de Canarias) oder Amazigh der Kanarischen Inseln (amazighe insular) verwendet.[3]

Überlieferung der Sprachen der Altkanarier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den ersten, damals noch friedlichen Missionsunternehmen mallorquinischer Priester und Mönche in der Mitte des 14. Jahrhunderts auf der Insel Gran Canaria wurden Ureinwohner, die als Sklaven nach Mallorca gekommen waren, als Dolmetscher eingesetzt. Sie waren im christlichen Glauben unterrichtet, getauft und freigelassen worden, um sich dann der Missionsarbeit bei ihrem Volk zu widmen. Sie blieben Analphabeten und hinterließen keine schriftlichen Informationen.[4]

Während zur Bekehrung der arabisch sprechenden Bevölkerung zu Beginn des 16. Jahrhunderts von dem damaligen Erzbischof von Granada Hernando de Talavera ein Lehrbuch der arabischen Sprache gefördert wurde[5] und in Amerika besonders jesuitische Missionare Grammatiken und Wörterbücher der Sprachen der Urbevölkerung verfassten[6], scheint das auf den Kanarischen Inseln nicht der Fall gewesen zu sein. Wegen der schnellen sprachlichen und kulturellen Eingliederung der Altkanarier in die durch die christlichen Eroberer neu geschaffene Gesellschaft hielten die Missionare es offenbar nicht für nötig, sich mit der oder den Sprachen der Ureinwohner zu befassen.[7]

Die Altkanarier selbst hinterließen keine schriftlichen Aufzeichnungen. Die Informationen über die Sprachen sind durch Berichte aus der Entdeckungs- und Eroberungszeit überliefert. Alles, was über die Sprachen bekannt ist, wurde anfangs entsprechend der Wiedergabe von Lauten der französischen, später der kastilischen Sprache dokumentiert. Dabei wurde in den Berichten, von einer Ausnahme abgesehen, nicht ausdrücklich die Sprache geschildert, sondern es wurden Personennamen, Ortsnamen oder Begriffe in der entsprechenden Sprache wiedergegeben.[8]

Ursprung der Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vergleiche überlieferter Worte der Sprachen der Ureinwohner mit den heute noch von den Berbervölkern Nordafrikas verwendeten Sprachen zeigen Gemeinsamkeiten. Das, wie auch genetische Untersuchungen der Knochenfunde auf den Inseln, deuten auf eine Herkunft der Ureinwohner aus Nordafrika hin.

Die Bevölkerung der sieben Inseln hatte sieben unterschiedliche Sprachen.[9] Das ergab sich aus der getrennten Entwicklung und dem fehlenden Kontakt der Bevölkerungen der einzelnen Inseln untereinander über mehr als tausend Jahre. Die Sprachen unterschieden sich so stark, dass zu Beginn der Eroberung die Übersetzer von einer Insel nicht als Übersetzer auf einer anderen Insel eingesetzt werden konnten. Historische Darstellungen, in denen behauptet wird, dass die Sprachen gleich seien, sind nach Ansicht der Historiker darauf zurückzuführen, dass die Berichtenden nicht zwei Sprecher gegenüberstellten, sondern die Gleichheit nur auf jeder Insel getrennt nach der Ähnlichkeit des Klangs beurteilten.

Heute noch vorhandene Sprachreste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Eingliederung der Kanarischen Inseln in die Reiche der Krone von Kastilien und die erzwungene Assimilierung der Urbevölkerung im 15. Jahrhundert waren die Sprachen spätestens am Ende des 16. Jahrhunderts verschwunden.

Der heutige Sprachgebrauch auf den Kanarischen Inseln enthält eine Reihe von „Guanchismos“, Begriffe, die aus den Sprachen der Ureinwohner abgeleitet sind. Dabei handelt es sich zu 55 % um Ortsbezeichnungen, zu 23 % um Personennamen und zu 17 % um die Bezeichnungen von Objekten.[10]

Schrift[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf den Kanarischen Inseln wurden an verschiedenen Stellen in Stein geritzte Schriftzeichen gefunden, die den Zeichen der libyschen Schrift gleichen. Es handelt sich dabei nicht um fortlaufende Texte, sondern um einzelne Worte, deren Bedeutung umstritten ist.[11] Es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass die Altkanarier schriftliche Informationen hinterlassen haben.

Die Erzählung von der Ansiedlung der Bevölkerung mit den abgeschnittenen Zungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Chronik Le Canarien, die über die Eroberung der Kanarischen Inseln zu Beginn des 15. Jahrhunderts berichtet, gibt es eine Information über die Sprache der Einwohner der Insel La Gomera. Es wird berichtet, dass die Bewohner dieser Insel nur mit den Lippen sprachen, als ob sie keine Zunge hätten, und dass sie erzählten, dass ein großer Fürst sie für ein Verbrechen hierher gebracht hätte und angeordnet habe, ihnen die Zungen abzuschneiden.[12] Die Authentizität dieser Geschichte wird von verschiedenen Historikern bestritten. Es wird angenommen, dass hier im Le Canarien eine ältere Geschichte wiedergegeben wurde und es sich nicht um eigene Erkenntnisse der Autoren handelte. Für die Verbringung eines ganzen Volkes, das mit dem Abschneiden der Zungen bestraft wurde, auf die Inseln gibt es in der Geschichte der Länder, die zu einer solchen Aktion in der Lage gewesen wären, keine Belege. Die Geschichte von den abgeschnittenen Zungen erlaubt nach der Ansicht von Historikern eine schlüssige Erklärung für die Herkunft des heute verwendeten Kommunikationssystem Silbo Gomero.[13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Guanche – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. A. José Farrujia de la Rosa, Werner Pichler, Alain Rodrigue, Sergio García Marín: Written in stones. The ancient colonization of the Canary Islands. In: Journal of iberian archaeology. Nr. 12. ADECAP, 2009, ISSN 0874-2677, S. 23–40 (englisch, dialnet.unirioja.es [abgerufen am 27. April 2019]).
  2. Maarten Kossmann: Berber subclassification. (PDF) Leiden University, 2011, S. 6, abgerufen am 5. Februar 2017 (englisch).
  3. Ignacio Reyes García: Balance de lingüística ínsuloamazighe. (PDF) Cabildo de Lanzarote, 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Januar 2011; abgerufen am 14. Dezember 2018 (spanisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cabildodelanzarote.com
  4. Antonio Rumeu de Armas: El obispado de Telde. misioneros mallorquines y catalanes en el Atlántico. Hrsg.: Ayuntamiento de Telde Gobierno de Canarias. 2. Auflage. Gobierno de Canarias, Madrid, Telde 1986, ISBN 84-505-3921-8, S. 52 (spanisch).
  5. Miguel Ángel Ladero Quesada: Fray Hernando de Talavera en 1492. In: Chronica nova: Revista de historia moderna de la Universidad de Granada. Nr. 34, 2008, ISSN 0210-9611, S. 261 (spanisch, Volltext-Download auf den Seiten der Dialnet-Stiftung [abgerufen am 2. Februar 2017]).
  6. Henrike Foertsch: Spracharbeit zwischen Theorie und Praxis. In: Reinhard Wendt (Hrsg.): Wege durch Babylon: Missionare, Sprachstudien und interkulturelle Kommunikation. Narr Francke Attempto, 2001, ISBN 3-8233-5414-0, S. 76.
  7. Dominik Josef Wölfel: Monumenta linguae canariae. Akademische Druck- u. Verlag-Anst., Graz 1965, S. 13 (ulpgc.es [abgerufen am 31. Januar 2017]).
  8. Dominik Josef Wölfel: Monumenta linguae canariae. Akademische Druck- u. Verlag-Anst., Graz 1965, S. 12 ff. (ulpgc.es [abgerufen am 31. Januar 2017]).
  9. Maximiano Trapero: Problemas de bilingüismo histórico en la toponimia de Canarias. In: Alegría Alonso González (Hrsg.): Actas del III Congreso Internacional de Historia de la Lengua Española : Salamanca, 22–27 de noviembre de 1993. 1996, ISBN 84-7635-182-8, S. 1110 (spanisch, ulpgc.es [PDF; abgerufen am 28. Juli 2016]).
  10. Maximiano Trapero: Problemas de bilingüismo histórico en la toponimia de Canarias. In: Alegría Alonso González (Hrsg.): Actas del III Congreso Internacional de Historia de la Lengua Española : Salamanca, 22-27 de noviembre de 1993. 1996, ISBN 84-7635-182-8, S. 1113 (spanisch, Volltext [PDF; 58 kB; abgerufen am 11. Mai 2023]).
  11. Juan Francisco Navarro Mederos: Die Urbewohner (= Alles über die Kanarischen Inseln). Centro de la Cultura Popular Canaria, o. O. (Las Palmas de Gran Canaria, Santa Cruz de Tenerife) 2006, ISBN 84-7926-541-8, S. 28.
  12. A. José Farrujia de la Rosa, María del Carmen del Arco Aguilar: La leyenda del poblamiento de Canarias por africanos de lenguas cortadas – génesis, contextualización e inviabilidad arqueológica de un relato ideado en la segunda mitad del siglo XIV. In: Tabona: Revista de prehistoria y de arqueología. Nr. 11, 2002, ISSN 0213-2818, S. 56 (spanisch, unirioja.es [abgerufen am 7. Februar 2017]).
  13. Juan Álvarez Delgado: Leyenda erudita sobre la población de Canarias con africanos de lenguas cortadas. In: Anuario de estudios atlánticos. Nr. 23, 1977, ISSN 0570-4065, S. 57 (spanisch, unirioja.es [abgerufen am 7. Februar 2017]).