Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

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Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (umgangssprachlich auch als IT-Grundrecht, Computer-Grundrecht oder Grundrecht auf digitale Intimsphäre bezeichnet[1]) ist ein in der Bundesrepublik Deutschland geltendes Grundrecht, welches vornehmlich dem Schutz von persönlichen Daten dient, die in informationstechnischen Systemen gespeichert oder verarbeitet werden. Dieses Recht wird im Grundgesetz nicht eigens genannt, sondern wurde als spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 2008 durch das Bundesverfassungsgericht derart formuliert bzw. aus vorhandenen Grundrechtsbestimmungen abgeleitet.

Formulierung als Grundrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dieses Grundrecht wurde in den Leitsätzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 neu formuliert. Das Urteil erging aufgrund von Verfassungsbeschwerden gegen die Vorschriften im Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen zur Online-Durchsuchung.[2] Nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergibt, auch ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

Dieses Grundrecht ist subsidiär und tritt insbesondere gegenüber dem Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG), dem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) zurück. Es kommt also nur als „Auffanggrundrecht“ zur Anwendung, um Schutzlücken zu schließen.

Einschränkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eingriffe sind nur in engen Grenzen möglich. Gestattet sind präventive staatliche Eingriffe – vor allem die sogenannte Online-Durchsuchung – in dieses Grundrecht nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt.[3] Es muss dabei zwar noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass solch eine Gefahr in näherer Zukunft eintritt, allerdings müssen im Einzelfall bestimmte Tatsachen auf eine solche drohende Gefahr, welche von bestimmten Personen ausgeht, hinweisen.

Eine Maßnahme, die einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt, bedarf grundsätzlich einer richterlichen Anordnung.[3] Grund dafür ist, dass der Bürger bei der heimlichen Ausspähung von persönlichen Daten in der Regel keine präventive Möglichkeit besitzt, die Maßnahme gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Einer anderen Stelle darf die Kontrolle nur übertragen werden, wenn diese die gleiche Gewähr für ihre Unabhängigkeit und Neutralität bietet wie ein Richter. Der Gesetzgeber darf jedoch Ausnahmeregelungen für Eilfälle treffen.

Reaktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wurde von den Grünen und der FDP begrüßt, die das Urteil weitgehend übereinstimmend als Meilenstein für die Bürgerrechte sehen. Vertreter der CDU begrüßten demgegenüber die Feststellung, dass das Grundrecht unter gewissen, engen Umständen eingeschränkt werden kann.[4][5]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christoph Herrmann: Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Entstehung und Perspektiven. Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 2010, ISBN 978-3-631-60984-2 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 2: Rechtswissenschaft 5104), (Zugleich: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 2010).
  • Gerhart R. Baum, Constanze Kurz, Peter Schantz: Das vergessene Grundrecht., FAZ, 27. Februar 2013 (online).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurzartikel „Wie nennen wir denn jetzt das neue Grundrecht?“ in Netzpolitik 2008
  2. Stefan Krempl: Karlsruhe lässt kaum Raum für heimliche Online-Durchsuchungen (Memento des Originals vom 3. September 2017 im Internet Archive), heise online, 27. Februar 2008. Abgerufen im 3. September 2017 
  3. a b Stefan Krempl: Neues "Computer-Grundrecht" schützt auch Laptops und Daten im Arbeitsspeicher. heise online, 27. Februar 2008, archiviert vom Original am 3. September 2017; abgerufen am 3. September 2017.
  4. Tagesschau-Kommentar „Online-Durchsuchungen sollen bald umgesetzt werden“ 27. Februar 2008 (tagesschau.de-Archiv)
  5. WDR-Kommentar „Niederlage für die NRW-Regierung“ (27. Februar 2008) (Memento vom 4. März 2008 im Internet Archive)