Ernst Uhrlau

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Ernst Uhrlau (re.) mit Wolfgang Ischinger, 2009

Ernst Uhrlau (* 7. Dezember 1946 in Hamburg) ist ein deutscher Beamter im Ruhestand und SPD-Mitglied. Er war von Dezember 2005 bis zum 7. Dezember 2011 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und ist seit Anfang Februar 2012 freiberuflich als Berater für die Deutsche Bank tätig.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Abitur 1967 am Gymnasium Eppendorf studierte Uhrlau Politikwissenschaft, Soziologie und Volkswirtschaft an der Universität Hamburg. 1974 wurde er Lehrer an der Landespolizeischule Hamburg; von 1975 bis 1981 war er als persönlicher Referent und Leiter des Senatorenbüros unter Werner Staak und Alfons Pawelczyk in der hamburgischen Behörde für Inneres tätig. Im Anschluss war er von 1981 bis 1991 stellvertretender Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hamburg und von 1991 bis 1996 als dessen Leiter tätig. 1996 wurde Ernst Uhrlau zum Hamburger Polizeipräsidenten ernannt.

Karriere in Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1998 wechselte Uhrlau in die Hauptstadt, wo er nach dem Wahlsieg der SPD und der rot-grünen Regierungsübernahme als Ministerialdirektor Leiter der Abteilung VI (Bundesnachrichtendienst, Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes) im Bundeskanzleramt wurde. Als Vertreter des Koordinators der Nachrichtendienste des Bundes – des Chefs des Bundeskanzleramtes – war Uhrlau dort die Schnittstelle zwischen Bundesregierung und dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD). Zu den bekannt gewordenen Erfolgen seiner Arbeit gehört der von Uhrlau als „ehrlichem Makler“ vermittelte Gefangenenaustausch im Januar 2004 zwischen Israel und der libanesisch-schiitischen Terrorbewegung Hisbollah.[2]

Uhrlau genehmigte die Operation Eikonal des Bundesnachrichtendienstes und der NSA, bei der Daten der Deutschen Telekom und möglicherweise auch Leitungen aus Österreich abgezapft wurden. Die geheime Abhöraktion lief von 2004 bis 2008 und beruhte auf einer Vereinbarung zwischen den USA und Deutschland aus dem Jahr 2002.[3]

Mit dem 1. Dezember 2005 übernahm Uhrlau, von der Großen Koalition aus CDU und SPD benannt, als Nachfolger von August Hanning das Amt des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes. Sein erstes großes Thema in diesem Amt war die Entführung der Archäologin Susanne Osthoff.[4]

Im Skandal um die Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled al Masri gab Uhrlau 2006 zu, dass der BND informiert war, diese Information jedoch nicht sofort weitergegeben hatte.[5] Die Bundesregierung verfügte eine Reorganisation der BND-Spitze, durch die Uhrlau seitdem drei Vizepräsidenten zur Seite standen.[6]

Positiv wahrgenommen wurde die Rolle des BND bei den Ermittlungen zur Steuerflucht nach Liechtenstein und die erneute Vermittlung bei einem weiteren Austausch zwischen Israel und Hisbollah.[7]

Im April 2008 wurde Uhrlau mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, nachdem der Bundesnachrichtendienst 2006 den afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang überwachte und dabei auch E-Mails der Spiegel-Reporterin Susanne Koelbl mitgeschnitten hatte.[8][9] In einem persönlichen Gespräch hat sich Uhrlau laut Koelbl bei ihr entschuldigt.[10] Ein weiterer Rückschlag in diesem Jahr war die Verhaftung von drei BND-Agenten im Kosovo nach dem Bombenanschlag auf die EU-Vertretung in Priština, über die Uhrlau von seiner eigenen Behörde nicht informiert wurde.[11][12][13]

Im Zusammenhang mit der Untersuchung, inwiefern deutsche Geheimdienstinformationen den Irakkrieg unterstützt haben, klagte Uhrlau über die „Skandalisierung von Aktionen, die im geheimen Regierungsbericht zu den Vorwürfen längst dargelegt sind. Wir sitzen am kürzeren Hebel: Die Geheimhaltungsvorschriften hindern uns oft, Vorhaltungen zu widerlegen, indem wir den wahren Sachverhalt an die Öffentlichkeit bringen.“[14]

Uhrlau ging wegen seines Alters zum 31. Dezember 2011 in Ruhestand. Zu seinem Nachfolger ernannte die schwarz-gelbe Bundesregierung den Staatssekretär aus dem Innenministerium Gerhard Schindler (FDP).[15] Seit Februar 2012 berät Uhrlau die Deutsche Bank.[16]

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Uhrlau ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ernst Uhrlau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Uhrlau heuert bei der Deutschen Bank an. In: Spiegel Online. 5. Februar 2012, abgerufen am 25. September 2012: „Seit Anfang Februar berät er die Deutsche Bank freiberuflich bei der Analyse globaler Risiken. Ein Sprecher des Instituts bestätigte damit am Sonntag einen Bericht des Spiegel.“
  2. Ulrike Putz: Lässt Deutschland für Israel drei Terroristen frei? In: Spiegel Online. 26. Januar 2004, abgerufen am 25. September 2012: „Die Verschnaufpause vom Wochenende ist für Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau damit vorbei. Nur kurz durfte er sich über sein diplomatisches Glanzstück freuen, das er nach jahrelangen Geheimverhandlungen zwischen der libanesischen "Gottespartei" und Israel zum Abschluss gebracht hat.“
  3. Fabian Schmid: Pilz: Berlin genehmigte NSA-Spionage gegen Österreich, derStandard.at, 23. Oktober 2015.
  4. Martin Klingst: Der Schweiger. In: Die Zeit. Nr. 49. Zeitverlag Gerd Bucerius, Hamburg 1. Dezember 2005 (zeit.de [abgerufen am 25. September 2012]).
  5. „Nicht kriegsentscheidend“. In: FAZ.net. 2. Juni 2006, abgerufen am 25. September 2012: „Mit diesem Eingeständnis hat Uhrlau überraschend frühere Auskünfte revidiert, nach denen deutsche Dienste oder das Auswärtige Amt zu keiner Zeit während des Tatzeitraumes über die Verschleppung informiert gewesen seien.“
  6. Hubert Gude: Stets zu Diensten. In: Focus. Nr. 44. Focus Magazin Verlag, Oktober 2007, ISSN 1615-4576 (focus.de [abgerufen am 25. September 2012]).
  7. Ehrliche Makler zwischen Hizbullah und Israel. In: FAZ.net. 15. Juli 2008, abgerufen am 25. September 2012: „Im Rampenlicht aber stand seinerzeit der damalige Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Ernst Uhrlau, der während der gesamten Austauschaktion in Beirut blieb – in Obhut der Hizbullah.“
  8. Severin Weiland: Der Herr der Spione darf bleiben. In: Spiegel Online. 25. April 2008, abgerufen am 25. September 2012: „Der BND hatte 2006 den afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang überwacht und dabei auch E-Mails der Reporterin mitgeschnitten. Uhrlau erfuhr davon nach Regierungsangaben erst ein Jahr später, Ende 2007.“
  9. Thorsten Jungholt, Joachim Peter: Aktion Kuhhandel oder warum Ernst Uhrlau bleibt. In: Welt Online. 24. April 2008, abgerufen am 25. September 2012: „Doch kurz vor 15 Uhr teilte der PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann (SPD) schließlich mit, Uhrlau dürfe seinen Job behalten – trotz der illegalen Bespitzelung einer deutschen Journalistin durch seine Behörde.“
  10. Sandra Petersmann: Wer kontrolliert die deutschen Geheimdienste? In: DW.de. 25. November 2008, abgerufen am 26. September 2012: „Als die Hinweise aber im Februar immer konkreter wurden, bat die Journalistin um ein persönliches Gespräch mit BND-Chef Ernst Uhrlau. Dieses Gespräch hat nach Koelbls Angaben rund zwei Stunden gedauert. Uhrlau habe sich bei ihr entschuldigt und um Verständnis für die schwierige Lage des BND gebeten.“
  11. Hans Monath: Ahnungslos an der Spitze. In: Der Tagesspiegel (Onlineausgabe). 8. Dezember 2008, abgerufen am 25. September 2012: „Uhrlau erfuhr davon nach Angaben mehrerer Zeitungen nicht aus dem BND, sondern vom Auswärtigen Amt. Erst einen Tag später, als auch noch die Büroräume der Deutschen durchsucht wurden, informierte er die BND-Aufsichtsbehörde, das Kanzleramt, von dem Vorfall.“
  12. Andreas Förster: Auf Abruf. In: Berliner Zeitung (Onlineausgabe). 1. Dezember 2008, abgerufen am 26. September 2012: „In seiner bislang noch nicht einmal dreijährigen Amtszeit flogen Top-Quellen auf, wurden Spionageoperationen bekannt und grundgesetzwidrig Journalisten bespitzelt. Die Abgeordneten aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium brachte er ein ums andere Mal durch Arroganz und Ignoranz gegen sich auf. Im Dienst selbst sorgen Uhrlaus verfehlte Personalpolitik und sein fehlender nachrichtendienstlicher Sachverstand für anhaltenden Ärger.“
  13. Kanzleramt attackiert BND-Chef Uhrlau. In: Spiegel Online. 7. Dezember 2008, abgerufen am 26. September 2012: „Uhrlaus Glaubwürdigkeit hat durch den Kosovo-Skandal stark gelitten. Denn nach Angaben mehrerer Zeitungen gab es im Fall der verhafteten Agenten eine ganze Reihe von peinlichen Pannen. Die Agenten hätten bereits am Abend ihrer Kontrolle durch eine Polizeistreife – und damit Tage vor ihrer Verhaftung – eine verschlüsselte Eilmeldung an die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes abgesetzt, meldeten Focus und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FASZ) übereinstimmend. Dieser Notruf sei aber mehrere Tage lang nicht beachtet worden.“
  14. Frank Jansen, Hans Monath: "Der 11. September ist nicht wiederholbar". In: Der Tagesspiegel (Onlineausgabe). 8. September 2008, abgerufen am 26. September 2012.
  15. FDP-Mitglied Schindler soll BND-Chef werden. In: Tagesschau.de. 29. Oktober 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Oktober 2011; abgerufen am 26. September 2012: „Der Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium, Gerhard Schindler, soll zum 1. Januar neuer Chef des Bundesnachrichtendienstes werden.“
  16. Uhrlau heuert bei Deutscher Bank an. In: Sueddeutsche.de. 5. Februar 2012, abgerufen am 26. September 2012: „Das Geldinstitut bestätigte einen Bericht des Spiegel, wonach der 65-Jährige seit dem 1. Februar als freiberuflicher Berater für das Haus tätig ist. Er berate die Bank in Fragen der globalen Sicherheit.“
  17. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)