Corps Frisia Göttingen

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Älteste bekannte Abbildung eines „Göttinger Friesen“ (1817)

Das Corps Frisia Göttingen (seit 2005 offiziell: „Frisia – Corps der Friesen und Lüneburger“) ist ein pflichtschlagendes und farbentragendes Corps an der Georg-August-Universität Göttingen. Die Studentenverbindung wurde 1811 als Zusammenschluss ostfriesischer Studenten in Göttingen gegründet, ihre Ursprünge reichen jedoch bis ins Jahr 1807. Damit gehört die Frisia zu den ältesten Verbindungen Deutschlands.

Die Anfänge der Frisia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eintrag in das Gästebuch der Burg Hanstein: „Vivat Ostfrisia!“ (1807)

Im 18. Jahrhundert spielte die 1737 gegründete Georg-August-Universität keine besondere Rolle für den friesischen Raum. Dies änderte sich im Jahre 1806, als Napoleon nach seinem Sieg in der Schlacht bei Jena und Auerstedt in Halle einmarschierte und angesichts der offen zur Schau gestellten anti-französischen Haltung der dortigen Studenten die Schließung der Hallenser Universität verfügte und alle auswärtigen Studenten aus der Stadt ausweisen ließ. Ein Eintrag in das Gästebuch der an der Werra gelegenen Burg Hanstein belegt schon für das folgende Jahr einen vermehrten Zuzug ostfriesischer Studenten nach Göttingen und ein sich verstärkendes Gefühl der Zusammengehörigkeit. 1811[1] schlossen sich die in Göttingen studierenden Ostfriesen schließlich zur Corps-Landsmannschaft Frisia zusammen, konnten jedoch mangels Mitgliedern zunächst nicht alleine existieren und verbanden sich 1812 mit Studenten aus Bremen. Als die Georg-August-Universität nach der preußischen Abtretung Ostfrieslands an Hannover im Jahre 1815 Landesuniversität wurde und immer mehr Ostfriesen zum Studium nach Göttingen kamen, gelang 1817 ein Neuanfang als eigenständiges Corps Frisia.

Bestand in unterschiedlichen Formen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Corpshaus der Frisia Göttingen
Deckelschoppen Corps Frisia Göttingen. Einer von zwei jemals angefertigten Krügen, die einen Hermelinmantel um das Wappen zeigen. Der Krug wurde anlässlich der Wiederaufnahme der Tradition Frisias als Corps hergestellt. Manufaktur Hans Otto Arnold, Göttingen (2002)

Bis zur Mitte der 1830er Jahre wechselte sie infolge behördlicher Verfolgung mehrmals die Bezeichnungen Landsmannschaft, Corps, Kneipe (ab 1833) oder auch Clubb. Als die studentische Jugend in Göttingen ab etwa 1835 von der als „Progreß“ bezeichneten Fortschrittsbewegung ergriffen wurde, begann sich die Frisia unter dem Eindruck dieser bürgerlich-liberalen Zeitströmung von den Corps abzuwenden. Die nächsten zwanzig Jahre, in denen die Frisia in unterschiedlichen Formen weiterexistierte, waren vor allem von der Diskussion um die eigenen Prinzipien bestimmt.

Dieser interne Richtungskampf eskalierte 1854 im sogenannten „Corpskrach“, in dessen Folge die Frisia sich spaltete. Die Corpsgegner setzten sich durch, schafften das Tragen von Mützen und Bändern ab und existierten als Schwarze Verbindung weiter. Dieser Zustand dauerte bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts an. Frisia war 1881 Gründungsmitglied des Gothaer Ersten-Conventes, aus dem sie 1884 jedoch wieder austrat. Zwischen 1881 und 1897 bestand zudem ein Kartell mit der Derendingia Tübingen. Am 18. Juni 1885 ging die Frisia mit der Verbindung Leonensia zu Heidelberg ein Kartellverhältnis zur Förderung der beiderseitigen Freundschaft ein. Nachdem sich bereits 1875 und 1881 gezeigt hatte, dass ein nicht geringer Teil der Mitglieder zum Farbentragen zurückkehren wollte, wurden 1909 die traditionellen Farben des friesischen Wappens „blau-rot-schwarz“ wieder eingeführt. Im gleichen Jahr kündigte die schwarze Verbindung Leonensia das Kartellverhältnis zur Frisia auf.[2]

Burschenschaft Frisia Göttingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Frisia als Mitglied der Deutschen Burschenschaft (1915)

Frisia suchte den Anschluss an einen der großen Korporationsverbände. Den Entschluss, Burschenschaft zu werden, hatte unter anderem beeinflusst, das viele Alte Herren, die auch das Band der ehemaligen Kartellverbindung Derendingia Tübingen trugen, bereits Burschenschafter waren. Derendingia hatte sich bereits 1897 zur Burschenschaft erklärt.[3] Am 18. Mai 1913 wurde die Frisia in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen. Frisia machte ihren Mitgliedern satzungsmäßig die Bedingung, dass sie der „arischen Rasse“ angehörten.[4]

Seit dem Burschentag des Jahres 1919 gehörte die Burschenschaft Frisia dem neugegründeten Kartell „Schwarzer Verband“ (SV) innerhalb der DB an. Neben Frisia bestand der SV aus den Burschenschaften Saxo-Silesia Freiburg, Frankonia Gießen, Germania Marburg, Rheno-Guestfalia Darmstadt und Teutonia Aachen.[5] Am 29. November 1930 wurde der Schwarze Verband in Darmstadt wegen Streitigkeiten darüber, ob die Deutsche Burschenschaft zu politischen Fragen Stellung nehmen dürfe, aufgelöst.[6]

Während der NS-Zeit musste sich auch die Aktivitas der Burschenschaft Frisia im Zuge des Kampfes des NSD-Studentenbundes gegen die alten Korporationen am 1. Februar 1936 auflösen.[7] Die Aktiven wurden in die Altherrenschaft übernommen. Es entstand die Kameradschaft „Friesland“, deren Mitglieder den Bund am 6. April 1945 auflösten, um wenige Tage später die Burschenschaft Frisia zu erneuern. Nach Anzeige bei der US-Militärregierung und den Rektorat wurde von der sonst üblichen Beschlagnahme des Verbindungshauses abgesehen. Frisia gehörte 1945 zu den Gründern des Intercorporativen Convents in Göttingen. Nach der Übernahme der Verwaltung durch die britischen Streitkräfte löste sich Frisia im Oktober 1945 auf und bildete nach der Verweigerung der Zulassung durch den britischen Universitäts-Kontrolloffizier eine „Studentische Wohn- und Tischgemeinschaft“, die im September 1946 die vorläufige Genehmigung erhielt. Mit dem Wegfall der Aufsicht durch den Kontrolloffizier (1950) konnte der Bund auch wieder offiziell unter der Bezeichnung Burschenschaft Frisia firmieren.[8] Ende 1951 unterstütze die Frisia die Burschenschaft Saxo-Silesia Freiburg bei der Reaktivierung.[9]

Seit 1952 gehörte die Burschenschaft Frisia abermals zusammen mit den Burschenschaften Saxo-Silesia Freiburg, Frankonia Gießen und Krusenrotter Kiel dem wiedergegründeten „Schwarzen Verband“ innerhalb der Deutschen Burschenschaft an.[10] Nachdem er in den 1960er Jahren ausgelaufen war, wurde der SV 1990 als enges Freundschaftsverhältnis wiederbelebt. 1996 verließ Frankonia Gießen die Deutsche Burschenschaft und damit auch den SV.[11]

Corps Frisia Göttingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Großes Aufsehen in der deutschen Verbindungslandschaft erregte die Frisia, als ihre Mitglieder – nachdem bereits seit Jahrzehnten immer deutlichere Differenzen zum Verband sichtbar geworden waren – im April 2003 nahezu einstimmig beschlossen, aus der Deutschen Burschenschaft auszutreten und den alten Namen Corps Frisia wieder anzunehmen. 2001 war ein Austritt aus der DB noch am Votum der Aktivitas gescheitert. Seit dem 21. Mai 2004 gehört das Corps Frisia dem Weinheimer Senioren-Convent und innerhalb diesem dem SC zu Hannover an.[12]

Ernst Seitz gründet die erste allgemeine Studentenvertretung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die öffentliche Vertretung der Studentenschaft nicht allein den farbentragenden Verbindungsstudenten zu überlassen, gründete sich im Sommersemester 1859 die sogenannte „Wildenschaft“ als Vereinigung aller Nichtverbindungsangehöriger an der Göttinger Georg-August-Universität. Zum Vorsitzenden des sogenannten „Wilden-Komitees“ wurde der Friese Ernst Seitz, genannt „Bürger Seitz“, gewählt. Damit stand die Frisia an der Spitze der studentischen Fortschrittsbewegung jener neuen Ära. Zur Verwirklichung einer einheitlichen Organisation aller Studenten wurde im Juli 1863 und wiederum unter Führung von Ernst Seitz ein „Allgemeiner Ausschuß der Studentenschaft“ – ein Vorläufer des heutigen AStA – gegründet.

Wiedervereinigung mit Friso-Luneburgia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friso-Luneburgia (1920)

Im Zuge des sogenannten „Corpskrachs“ des Jahres 1854 hatte sich ein Teil der Mitglieder abgespalten und ein eigenes Corps unter dem Namen „Friso-Luneburgia“ gegründet. Nach der Gründung der Friso-Luneburgia im Jahre 1854 führte die Einverleibung des Königreiches Hannover durch Preußen im Jahre 1866 zu einer stärkeren Hinwendung der norddeutschen Studenten zu anderen Universitäten, da Göttingen fortan nicht mehr hannoversche Landesuniversität war. Der daraus resultierende Nachwuchsmangel zwang das Corps Friso-Luneburgia im Jahre 1868 zu Auflösung und auch in den Folgejahren gelang es nicht, das Corps in Göttingen wiederzubegründen. Deshalb verlagerte sich das Corps 1920 an die Universität Köln, wo es bis in die 1960er Jahre erfolgreich weiterbestand. Die gesellschaftlichen Umwälzungen im Zuge der 68er-Bewegung führten jedoch zu einem Nachwuchsmangel, so dass der Aktivenbetrieb 1971 eingestellt werden musste. Anfang 2003 kam es zu einem Kontakt zwischen den Alten Herren der Kölner und den Aktiven der Göttinger Friesen. Nach einer kurzen Annäherungsphase beschloss das Göttinger Corps Frisia am 12. Februar 2005 einstimmig, sich mit dem Kölner Corps Friso-Luneburgia wiederzuvereinigen und den offiziellen Namen „Frisia – Corps der Friesen und Lüneburger“ zu tragen.[13] Eine solche Wiedervereinigung nach über 150 Jahren der Trennung ist in der Geschichte der deutschen Studentenverbindungen bislang einmalig.

Bekannte Mitglieder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

George Turner (2015)
Carl Uhlig als Mitglied der Verbindung Leonensia und des Corps Frisia (um 1892)
  • Otto Aichel (1871–1935), Embryologe, Anatom und Anthropologe

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Doeberl u. a. (Hrsg.): Das akademische Deutschland, Band 2: Die deutschen Hochschulen und ihre akademischen Bürger, Berlin 1931. S. 787, 896
  • Alfred Wandsleb: Frisia Gottingensis 1811–1931. Heide 1931
  • Horst Bernhardi: Frisia Gottingensis 1831–1956. Heide 1956
  • Joachim Ziemann, Heinrich Jürgen Lochmüller: Die Chronik des Corps Friso-Luneburgia. Köln 2004
  • Hans-Georg Balder: Die Deutsche(n) Burschenschaft(en) – Ihre Darstellung in Einzelchroniken. Hilden 2005, S. 165–166
  • Paulgerhard Gladen: Frisia – Corps der Friesen und Lüneburger (früher Frisia) Göttingen, in ders.: Die Kösener und Weinheimer Corps: Ihre Darstellung in Einzelchroniken. Hilden 2007, S. 225–226.
  • George Turner: Frisia Gottingensis 1956–2011. Heide 2011

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Corps Frisia Göttingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ernst Hans Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig, 1924/25, S. 51.
  2. Carl Gernandt: Geschichte der Verbindung Leonensia. 1871-1971. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1971, S. 60–62.
  3. Karsten Menke: Frisia Gottingensis. 60 Jahre Burschenschaft – 30 Jahre Gemeinschaft Friesland. In: Burschenschaftliche Blätter, 88. Jg. (1973), H. 7, S. 218.
  4. Franz Egon Rode: Die Universitätsburschenschaften im Kaiserreich. In: Christian Oppermann (Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 23, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2021, ISBN 978-3-8253-4727-7, S. 383
  5. 150 Jahre Frisia-Göttingen. In: Burschenschaftliche Blätter, 76. Jg. (Mai 1961), H. 5, S. 131.
  6. Verband der Alten Herren der Marburger Burschenschaft Germania e. V. (Hrsg.): 150 Jahre Germania Marburg - Chronik und Geschichte(n) 1868/2018. Marburg 2018, S. 144–148.
  7. Aus Burschenschaften und V. a. B., In: Burschenschaftliche Blätter, 66. Jg. (Sep. 1951), H. 9, S. 270.
  8. Horst Bernhardi: Neue studentische Gemeinschaften an der Universität Göttingen in den Jahren 1945 bis 1950. In: Göttinger Jahrbuch 1962, S. 159–172.
  9. Aus Burschenschaften und V. a. B., in: Burschenschaftliche Blätter, 67. Jg. (1952), H. 1, S. 23.
  10. Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft - eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung - eine Analyse für den Zeitraum von 1950 bis 1999. Hrsg.: Altherrenverband der Burschenschaft Hilaritas Stuttgart. Eigenverlag des AHV der Burschenschaft Hilaritas, Stuttgart 2002, ISBN 3-00-009710-4, S. 220.
  11. George Turner: Frisia Gottingensis 1956–2011, Heide 2011, S. 251–252
  12. George Turner: Frisia Gottingensis 1956–2011, Heide 2011, S. 280
  13. Paulgerhard Gladen: Friso-Luneburgia (früher zu Göttingen) Köln, in ders.: Die Kösener und Weinheimer Corps: Ihre Darstellung in Einzelchroniken. Hilden 2007, S. 58
  14. HRudolf Eucken: Lebenserinnerungen - Ein Stück Deutschen Lebens. Leipzig 1921, S. 30 f.
  15. Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Hrsg.: Peter Kaupp. Band II: Künstler. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 183.