Catherine Meurisse

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Catherine Meurisse (2008)
Signatur
Signatur

Catherine Meurisse (* 8. Februar 1980 in Niort, Deux-Sèvres) ist eine französische Karikaturistin, Cartoonistin und Autorin von Graphic Novels. Sie war bis 2016 die einzige Zeichnerin bei Charlie Hebdo[1] und wurde 2020 als erste Comickünstlerin in die Académie des Beaux-Arts aufgenommen.[2]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meurisse studierte Französisch und Literatur in Poitiers sowie Illustration an der Ecole nationale supérieure des Arts décoratifs in Paris.[3]

Seit 2001 arbeitete sie für die Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Dort habe man sich u. a. an Vorbildern wie Daumier, Töpffer, Gavarni und Grandville orientiert: „Cabu ne parlait que de Daumier!“, Cabu habe von nichts anderem als Daumier gesprochen, erinnert sich die Redaktionskollegin.[4] Dem Terroranschlag 2015 war Meurisse durch Zufall entgangen. So wie ihr Kollege Luz sei sie am 7. Januar mit Verspätung am Redaktionssitz eingetroffen: „Bei Nachbarn versteckt, hörten sie die 34 Schüsse der Terroristen“.[5] Nach dem Anschlag arbeitete sie ein weiteres Jahr bei Charlie Hebdo, 2016 kündigte sie. Einer ihrer letzten Beiträge war 2015 eine Woche nach dem Attentat in der sogenannten „numéro des survivants“ („Ausgabe der Überlebenden“) erschienen. Meurisse zeichnete einen Strip zur Erinnerung an Elsa Cayat: Une séance avec Elsa Cayat, la psy de Charlie beginnt mit dem typischen Szenario einer psychoanalytischen Sitzung, der Klient auf der Couch berichtet von einem Traum: „J'ai rêvé que je tuais Charlie Hebdo.“[6] „Die Zeichnung, die ich für die Ausgabe gemacht habe“, so Meurisse zwei Jahre später zurückblickend, „war eine Zeichnung des Überlebens, ein Reflex. Ich wollte damit zeigen, dass ich nicht unter den Ermordeten war.“[7]

Auch in Libération und Le Nouvel Observateur hatte sie Karikaturen und Zeichnungen veröffentlicht. In einem Interview im Tagesspiegel erklärte sie 2019, sie habe „mit der politischen Karikatur abgeschlossen“. Sie wolle „anders arbeiten, weniger unter Zeitdruck“, der Rhythmus der Arbeit an Comics in Buchform sei langsamer, „vergleichbar mit literarischem Arbeiten“. Nur noch gelegentlich mache sie „kürzere, witzige Comicstrips, etwa für ein sehr gutes französisches Philosophie-Magazin“.[8] 2018 war Catherine Meurisse Stipendiatin der Villa Kujoyama in Kyoto.[9]

Publikationsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meurisses erste eigene Veröffentlichung erschien 2004 beim Independent-Verlag Drozophile in GenfCauseries sur Delacroix war ihre Abschlussarbeit aus dem Kunststudium in Paris. Die Autorin bezog sich darin auf Alexandre Dumas’ Causerie anlässlich der Retrospektive ein Jahr nach dem Tod von Eugène Delacroix. Für eine Neuausgabe 2019 bei Dargaud, ihrem aktuellen Verlag, unterzog Meurisse, die inzwischen über Erfahrung sowohl im künstlerischen Schaffen als auch im Publizieren verfügte, ihre „travail de jeunesse“ einem intensiven Prozess: Sie zeichnete teilweise neu, arbeitete in Farbe und mit, laut Selbstauskunft,[10] „un peu de maturité“, ein bisschen Reife. Cynthia Rose (The Comics Journal) urteilte, das Ergebnis sei eine Demonstration des Potentials der Neunten Kunst. Meurisse gelinge ein reichhaltiges Porträt zweier Freunde und einer Ära, nicht zuletzt zeichne die Autorin die Geschichte von Delacroix' La Liberté guidant le peuple nach. „Atemberaubend“ sei dieses Album hinsichtlich „visual freedom, […] ingenuity of its montage – and its delicate beauty“. Die Rezensentin schließt mit Verweis auf die Komik („But I may have buried the lead: it’s hilarious“).[11]

In deutscher Übersetzung erschienen bisher (Stand 2022) Die Leichtigkeit (2016), Olympia in Love. Eine Komödie in 50 Gemälden (2018), Weites Land (2019) und Nami und das Meer (2022), letzteres eine Hommage an Hokusai, entstanden während Meurisses Zeit als Artist in Residence in Japan. Im Deutschlandfunk Kultur äußerte sich Gesa Ufer anerkennend über Catherine Meurisse: Ihre Bücher, so die Kritikerin, die sich von Meurisses Figuren an Der kleine Nick erinnert fühlt, „gehen immer sehr in die Tiefe“ und seien voller Bezüge auf Literatur und Kunst. „Aber jedes Mal, wenn es pathetisch werden könnte, blitzt wieder so ein guter, anarchischer Witz durch.“[12] Die Anstrengungen, ein Album wie Olympia in Love für ein Publikum im deutschen Sprachraum zu übersetzen, schilderte Ulrich Pröfrock: „Die Anspielungen beziehen sich auf französische Filmklassiker, Kunst und Literatur.“ Auch auf „Schulwissen“ greife Meurisse dabei zurück, etwa „auf ein populäres Gedicht von Victor Hugo über Napoleon, das aber in Deutschland kaum jemand kennt“.[13]

Neben den in Bild und Text eigenständig verantworteten Werken kooperierte die Zeichnerin wiederholt mit Autoren, etwa mit Oscar Brenifier oder Didier Lévy. Gemeinsam mit der Szenaristin Julie Birmant schuf sie die dokumentarische Biografiensammlung Drôles de femmes: Die beiden Autorinnen versammeln Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen, als deren „métier“ sie den Humor bezeichnen.[14] – hauptsächlich Schauspielerinnen aus dem komischen Fach, aber auch die Schriftstellerin Amélie Nothomb sowie Meurisses Fachkolleginnen Claire Bretécher und Florence Cestac.

Darüber hinaus profilierte sich Meurisse als Illustratorin auf dem Gebiet der Belletristik und der Enzyklopädie: 2009 brachte Gallimard eine Neuausgabe von Zazie dans le métro (Raymond Queneau, Catherine Meurisse) heraus[15], 2010 war sie einer jener Künstler, welche die Jubiläumsausgabe des Petit Larousse bebilderten.[16]

Eine Retrospektive im Cartoonmuseum Basel zeigte erstmals im deutschen Sprachraum Originalzeichnungen aus allen Werken der Künstlerin bis zu ihrem jüngsten Buch La jeune femme et la mer.

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In deutscher Übersetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 2020: Catherine Meurisse. La vie en dessin, Centre Pompidou, Paris[17]
  • 2021/22: Catherine Meurisse. L’Humour au sérieux, Cartoonmuseum Basel[18]
  • 2022: Catherine Meurisse »Kunst (und Comic)«, Mom Art Space, Hamburg[19]
  • 2023: Catherine Meurisse. Une place à soi, Museum Tomi Ungerer, Straßburg[20]

Auszeichnungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Catherine Meurisse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Portrait Catherine Meurisse. Institut Francais, 19. Oktober 2021, abgerufen am 10. Dezember 2021 (französisch).
  2. Décret du 5 mars 2020 portant approbation d'une élection à l'Académie des beaux-arts. In: Légifrance, le service public de la diffusion du droit. République Francaise, 5. März 2020, abgerufen am 10. Dezember 2021 (französisch).
  3. Catherine Meurisse, Élu(e) le 15 janvier 2020. Académie des beaux-arts, Institut de France, 2020, abgerufen am 10. Dezember 2021 (französisch).
  4. Catherine Meurisse. Prix Töpffer Genève, 3. Dezember 2021, abgerufen am 10. Dezember 2021 (französisch).
  5. Marc Zitzmann: Nach dem Massaker. In: Republik. 7. Januar 2019, abgerufen am 10. Dezember 2021.
  6. Charlie Hebdo 1178, 14. Januar 2015, S. 11.
  7. Thomas Hummitzsch, Cathérine Meurisse (Interview): Seit dem Anschlag ist die Gegenwart obszön und lächerlich. In: Intellectures. 6. Januar 2017, abgerufen am 29. Januar 2022.
  8. Ralph Trommer: „Es war eine Flucht und eine Reparatur“: Comiczeichnerin Catherine Meurisse über ihr neues Buch „Weites Land“ und den Weg zurück ins Leben nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. In: Der Tagesspiegel. 18. April 2019, abgerufen am 10. Dezember 2021.
  9. Catherine Meurisse カトリーヌ・ムリス 2018, Bande Dessinée. Villa Kujoyama, abgerufen am 4. März 2022 (französisch, jp).
  10. Quelques questions à Catherine Meurisse, Catherine Meurisse, Le Grand Prix Töpffer 2021.
  11. Cynthia Rose: Catherine Meurisse: The Face Of French Comics Is Female. In: The Comics Journal. 17. Januar 2020, abgerufen am 10. Dezember 2021 (englisch).
  12. „Eine Reise voller Wunder und Weisheit“. Gesa Ufer im Gespräch mit Ramona Westhof. Deutschlandfunk Kultur, 11. März 2022, abgerufen am 29. Oktober 2022.
  13. Ralph Trommer: Von Sprachspielen in Sprechblasen: Was ist besonders beim Übersetzen eines Comics? Wo kommen Übersetzungen an ihre Grenzen? Fünf Übersetzer*innen berichten aus ihrem Arbeitsalltag. Goethe Institut, April 2020, abgerufen am 9. November 2022.
  14. L’humeur est leur métier lautet der Untertitel zum Buch, in dem Maria Pacôme, Anémone, Yolande Moreau, Dominique Lavanant, Claire Bretécher, Amélie Nothomb, Tsilla Chelton, Florence Cestac, Michèle Bernier und Sylvie Joly vorgestellt werden
  15. Zazie dans le métro: Les tribulations d'une gamine impertinente et culottée dans le Paris des années 1950. Un chef-d'œuvre d'humour illustré par Catherine Meurisse. Gallimard Jeunesse, 2009, abgerufen am 20. Dezember 2021 (französisch).
  16. Meurisse gestaltete die Lemmata Ballet Romantique, Scooter de neige, Université d’été, Classe verte, Famille nucléaire und Université du 3e âge. Petit Larousse illustré 2010.
  17. Catherine Meurisse. La vie en dessin. Centre Pompidou, abgerufen am 10. Dezember 2021 (französisch).
  18. Aktuelle Ausstellung: Catherine Meurisse, L’Humour au sérieux. Cartoonmuseum Basel, abgerufen am 10. Dezember 2021.
  19. Programm, Ausstellungen. Comicfestival Hamburg, 2022, abgerufen am 8. November 2022.
  20. Catherine Meurisse. Une place à soi. Du 18 mars 2023 au 3 septembre 2023, Musée Tomi Ungerer – Centre international de l'illustration. Musées de la Ville de Strasbourg, 2022, abgerufen am 8. November 2022 (französisch).
  21. Comic-Bestenliste 2019: "Weites Land" holt ersten Platz. In: Börsenblatt. Börsenverein des deutschen Buchhandels e. V., 3. Januar 2020, abgerufen am 10. Dezember 2021.
  22. Catherine Meurisse, Grand Prix Töpffer 2021. In: ToutenBD. 9. Dezember 2021, abgerufen am 20. Dezember 2021 (französisch).