Bilkay Öney

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Bilkay Öney 2017
Winfried Kretschmann und Bilkay Öney (2011)

Bilkay Öney, von 2018 bis 2021 Bilkay Kadem[1], ([bɪlˈkaj œˈnɛj]; * 23. Juni 1970 in Malatya, Türkei) ist eine deutsche SPD-Politikerin. Öney war von 2011 bis 2016 Landesministerin für Integration im grün-roten Kabinett Kretschmann I.[2][3] Vorher war sie Mitglied der Grünen und von September 2006 bis Mai 2011 Abgeordnete im Abgeordnetenhaus von Berlin.[4] Seit Herbst 2018 ist sie Geschäftsleiterin des Landesbetriebs für Gebäudebewirtschaftung, Betriebsteil B, der zur Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin gehört.[5]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung und Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bilkay Öney lebt seit 1973 in Berlin. Sie absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und Medienberatung an der TU Berlin. Danach arbeitete Öney als Bankangestellte und wechselte dann zum staatlichen türkischen Fernsehsender TRT. Dort arbeitete sie als Redaktionsassistentin, dann als Assistentin der Geschäftsführung und als Redakteurin und Moderatorin, bis sie am 17. September 2006 ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt wurde. Zwischenzeitlich war sie die Pressesprecherin des Bildungswerkes Kreuzberg (BWK).

Parteilaufbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bilkay Öney war bis zum 12. Mai 2009 Mitglied der Grünen. Öney wurde zur integrationspolitischen Sprecherin der Grünen gewählt und war Mitglied des Innenausschusses und des Ausschusses für Integration, Arbeit und Soziales.

Am 15. Mai 2009 trat Öney aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen aus und in die SPD ein.[6] Sie begründete dies mit bundespolitischen Erwägungen und stellte fest, „dass die Grünen eben nur die Gutmenschen sind und nicht die besseren Menschen“.[7]

Zur Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2011 sollte sie als SPD-Spitzenkandidatin im Bezirk Mitte auf Listenplatz eins kandidieren,[8] bevor sie Ministerin in Baden-Württemberg wurde.

Abgeordnetentätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Öney erzielte über den Platz drei der grünen Landesliste Berlin im September 2006 den Einzug in das Abgeordnetenhaus von Berlin.

Nach ihrem Parteiwechsel im Jahr 2009 war sie Mitglied der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und saß dort im Innenausschuss, im Rechtsausschuss sowie im Ausschuss für Verfassungsschutz.

Öffentliche Ämter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 2011 wurde Öney als Ministerin für Integration in die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann berufen.[9][10] Das Ministerium war neu geschaffen worden, davor war das Aufgabengebiet Teil des Justizministeriums gewesen.[11] Das kleinste Ministerium der baden-württembergischen Regierung geriet vor allem während der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 in den öffentlichen Fokus.[12]

Sonstiges Engagement, Ehrungen, Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Öney trat der von Cem Özdemir 1994[13] mitgegründeten[14] und den Grünen nahestehenden Initiative ImmiGrün – Bündnis der neuen InländerInnen bei, deren Sprecherin sie bis Mai 2009 war.[15]

2013 erhielt Bilkay Öney den Clara-Zetkin-Preis der IG Metall Heidenheim für ihren Einsatz in der Politik.[16]

2015 wurde Bilkay Öney von der Helga und Edzard Reuter-Stiftung für ihr „Bemühen um ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen und das Engagement für die Integration von Zuwanderern in der deutschen Gesellschaft“ geehrt.[17]

Nach dem Ausscheidem aus dem Ministeramt hatte sie eine Video-Kolumne bei der Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel.[18] Im März 2018 wurde sie Geschäftsführerin der Stiftung Fairchance.[19]

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Öney ist alevitisch und bezeichnete sich selbst als „Rock ’n’ Roll-Muslima“.[20][21] Später erläuterte sie, in einer linksliberalen „feministischen“ Lehrerfamilie ohne religiöse Erziehung groß geworden zu sein: „Meine Eltern waren immer der Auffassung, dass Religion der Menschheit mehr Schaden gebracht hat als Nutzen“.[22]

Am 8. März 2018 teilte Bilkay Öney via Twitter mit, dass sie zwei Wochen zuvor am 22. Februar geheiratet habe und nun den Nachnamen Kadem trage.[23] Am 20. Januar 2021 meldete sie ebenfalls auf Twitter, dass sie ihren früheren Namen Öney wieder angenommen habe.[1]

Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kopftuchverbot[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Öney trat für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst ein.[24] In ihrer Eigenschaft als Landesministerin für Integration jedoch forderte sie 2011 eine erneute Debatte über das Kopftuchverbot. „Früher habe ich gesagt, das Neutralitätsgebot des Staates ist sehr wichtig. Als Integrationsministerin muss ich nun dafür Sorge tragen, dass sich auch die Musliminnen integrieren. Es ist eine Abwägungsfrage.“[25]

Religiöse Beschneidung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2012 forderte Öney nach einem Urteil des Landgerichts Köln, wonach die Beschneidung von Jungen aus religiösen Beweggründen rechtswidrig und strafbar ist, gesetzliche Regeln zur Stärkung der Religionsfreiheit. Kern der Entscheidung war die Abwägung zwischen der Religionsfreiheit der Eltern und dem Recht eines Kindes auf körperliche Unversehrtheit.[26] Das Gericht urteilte, entscheidend sei nicht das Recht der Eltern auf Religions- und Erziehungsfreiheit; entscheidend sei allein das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.[27] Öney erklärte in diesem Zusammenhang, sie frage sich, warum jetzt eine Art Religionskrieg angezettelt werde. Das Argument mit dem Kindeswohl sei für sie fadenscheinig. „Als hätten Juden und Muslime das Kindeswohl nicht im Blick. Das finde ich unverschämt.“ Sie wolle nicht, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt sei, das Beschneidungen verbiete: „Damit würde die freie Religionsausübung eingeschränkt.“[28]

Doppelte Staatsbürgerschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als erste türkeistämmige Ministerin setzte sich Öney in ihrer Funktion als Landesministerin im Bundesrat für die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen das Optionsmodell ein.[29][30]

Innere Sicherheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Juni 2012 wurde Öney vom baden-württembergischen Oppositionspolitiker Bernhard Lasotta für ihre Antwort auf eine Frage in einem Interview und einer Podiumsdiskussion kritisiert.[31][32] Öney hatte auf Rückfragen nach dem Begriff Tiefer Staat angemerkt, die Schwierigkeiten der deutschen Behörden, die Anschlagspläne und Mordserie der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU frühzeitig und umfassend aufzudecken, seien auch mit der Existenz eines „tiefen Staates“ in Deutschland zu erklären.[33] Der Begriff Tiefer Staat wird in der Türkei gebraucht, um eine der Öffentlichkeit wenig bekannte Beziehung zwischen Sicherheitskräften, Politik, Justiz, Verwaltung und dem organisierten Verbrechen zu beschreiben, beispielsweise im Zusammenhang mit den Hintergründen der Ermordung des kritischen Journalisten Hrant Dink. Öney distanzierte sich von ihren Äußerungen mit den Worten: „Ich habe bereits mehrfach klargestellt, dass ich keinerlei Thesen zu einem Tiefen Staat in Deutschland vertrete. Es ging um Ermittlungsfehler im Rahmen der NSU-Mordserie.“ Sie erklärte, sie hätte den Begriff nicht aufgreifen dürfen: „Die Aussage Tiefer Staat wurde falsch verstanden. Indem die CDU mit den Wörtern spielt, versuchen sie meine Staatstreue zu prüfen.“[34]

Rolle als Flüchtlings- und Asylpolitikerin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der seit Herbst 2014 ansteigenden Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen auch in Baden-Württemberg wird Öney von der Presse attestiert, „ihre Rolle gefunden“ zu haben: „In der Flüchtlingskrise zählt Öney zu den Stützen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Selbst die CDU zollt Respekt“.[35] Öney wirbt in Bürgerversammlungen selber für die Regierungspolitik in der Flüchtlingsunterbringungsfrage und sucht dabei auch „den Schulterschluss mit der CDU“ – erfolgreich: „Am Ende: Beifall“.[35] Öney definiert ihre Flüchtlingspolitik und die der Landesregierung als dialogisch, transparent und offen: „Uns war wichtig, von Anfang an Landkreise, Landräte, Regierungspräsidien, aber auch Kommunen, Bürgermeister und Gemeinderäte einzubeziehen. Es muss klar sein: Wir richten keine Aufnahmestelle gegen den Willen der Bürger ein, sondern mit ihnen gemeinsam“.[36] Statt Zweifel an ihrer Kompetenz und am Sinn des neuen Integrationsministeriums „erhält sie sogar Lob von der CDU-Opposition… 'Sie hat’s gepackt, meint ein früherer CDU-Minister“.[37]

Im Frühjahr 2015 erläuterte Öney in mehreren Zeitungsinterviews ihre Auffassung, dass man „Ängste vor zu viel Zuwanderung ernst nehmen“ müsse – in manchen Städten gebe es ein deutliches Missverhältnis von Einwanderern und Einheimischen, das sich Rechtspopulisten politisch zunutze machten. Besorgt macht Öney die Lage in ihrer Heimatstadt Berlin: „Dort sind einige Bezirke aus dem Gleichgewicht geraten, weil der Anteil der Ausländer innerhalb kürzester Zeit extrem gestiegen ist. Wenn man aber auf den Straßen fast keine Deutschen mehr sieht, dann schrillen bei den Deutschen, die dort leben, aber auch bei den schon alteingesessenen Migranten die Alarmglocken“.[38] „Mit Blick auf die innere Sicherheit“ fordert Öney die Einführung von Grenzkontrollen: „Unsere Grenzen sind derzeit zu durchlässig“. Zugleich spricht sie sich dafür aus, mehr Geld für schnelle Integration bereitzustellen.[39]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bilkay Öney – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Mitteilung auf Twitter, 20. Januar 2021
  2. Reiner Ruf: Bilkay Öney hinterlässt ein schweres Erbe In: Stuttgarter Zeitung, 21. April 2016
  3. Maria Wetzel: „Ich werde die Schwaben überall verteidigen“ In: Stuttgarter Zeitung, 9. Mai 2016
  4. Sabine Beikler, Ulrich Zawatka-Gerlach: Übertritt: Grün war die Hoffnung. In: Tagesspiegel. 13. Mai 2009 (Online).
  5. Hannes Heine: Berliner Senat: Bilkay Kadem soll Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung leiten. In: Tagesspiegel Online. 16. Juli 2018, abgerufen am 25. Januar 2021.
  6. Paul Nellen: Zu gut für die Grünen – die Abgeordnete Bilkay Öney. In: Die Achse des Guten, 13. Mai 2009, erneut abgerufen am 6. Oktober 2011
  7. Jens Anker: Berliner Ex-Grüne Bilkay Öney ist jetzt SPD-Mitglied. In: morgenpost.de. 15. Mai 2009, abgerufen am 11. Februar 2024.
  8. Öney siegt, Donnermeyer verliert knapp (Memento vom 13. November 2014 im Internet Archive) Berliner Zeitung, 7. Dezember 2010, abgerufen am 9. August 2013.
  9. Die Ministerin. (Memento vom 1. November 2011 im Internet Archive) Ministerium für Integration Baden-Württemberg, abgerufen am 6. Oktober 2011
  10. Moritz Schuller: Kontrapunkt: Bilkay Öney – die Alibiministerin. In: Der Tagesspiegel, 4. Mai 2011, erneut abgerufen am 6. Oktober 2011
  11. Jens Anker: Bilkay Öney: Diese Integrationsministerin lehnt Multikulti ab. In: welt.de. 4. Mai 2011, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  12. https://www.pz-news.de/baden-wuerttemberg_artikel,-An-Integrationsministerium-Bilay-Oeney-scheiden-sich-die-Geister-_arid,1067247.html
  13. http://www.immigruen-berlin.de/
  14. Einfluß mit Immi-Grün. Der Spiegel, 1. Juli 1996. Abgerufen am 22. September 2011.
  15. Homepage der ImmiGrün Berlin
  16. Karin Greth: Integrationsministerin Bilkay Öney erhält Clara-Zetkin-Preis. (Memento vom 30. Mai 2013 im Internet Archive) Südwest Presse, 10. März 2013. Abgerufen am 16. November 2015.
  17. Helga und Edzard Reuter-Stiftung ehrt Integrationsleistungen. (Memento vom 18. November 2015 im Internet Archive) Pressemitteilung der Helga und Edzard Reuter-Stiftung, 5. November 2015. Abgerufen am 16. November 2015.
  18. Suchergebnisse (Memento vom 12. Juni 2018 im Internet Archive) In: tagesspiegel.de
  19. https://www.stiftung-fairchance.org/news/updates/neue-geschaeftsfuehrung-der-stiftung-fairchance
  20. Die Rock-’n’-Roll-Muslima von Grün-Rot, Badische Zeitung, 24. Mai 2011. Abgerufen am 17. Dezember 2011.
  21. Migration ist ein Teil von mir, Tagesspiegel, 4. Mai 2011. Abgerufen am 17. Dezember 2011.
  22. Zitiert aus dem Radioportrait „Muslime in Deutschland“ (Memento vom 29. Januar 2015 im Internet Archive), SWR1 Baden-Württemberg, 22. Jan. 2015, ab Min. 11:30
  23. Vgl. Twitter-Eintrag bilkayoeney vom 8. März 2018
  24. Transkript des SPD.de-Expertenchats mit Bilkay Öney und Rüdiger Veit am 26. September 2010. (Memento vom 5. März 2016 im Internet Archive; PDF; 80 kB) In: SPD.de, abgerufen am 6. Oktober 2011.
  25. Ministerin fordert neue Debatte über Kopftuchverbot. In: Focus Online. 9. September 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 5. Oktober 2011.
  26. Beschneidung aus religiösen Gründen ist strafbar spiegel.de, 26. Juni 2012, abgerufen am 27. Juni 2012.
  27. Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 – 151 Ns 169/11.
  28. Menschen bei Maischberger Der Beschneidungsstreit: Wie weit dürfen religiöse Rituale gehen? (Memento vom 14. August 2012 im Internet Archive), ARD, 14. August 2012, 22:45 Uhr, abgerufen am 14. August 2012.
  29. „Ich möchte keinen doppelten Standard“, Stuttgarter Zeitung, 1. Aug. 2011. Abgerufen am 6. März 2012
  30. Grün-rote Regierung startet neuen Anlauf für Doppelpass Stuttgarter Zeitung, 14. Mai 2013. Abgerufen am 16. Mai 2013
  31. Lasotta erhebt schwere Vorwürfe gegen Bilkay Öney Stimme.de, abgerufen am 22. Juni 2012
  32. Bernhard Lasotta: Materialsammlung zu den Aussagen von Bilkay Öney (Memento vom 16. Juni 2012 im Internet Archive; PDF; 88 kB)
  33. FDP fordert Rücktritt von Bilkey Öney. In: Stuttgarter Zeitung, 11. Juni 2012. Abgerufen am 17. Juni 2012.
  34. Bilkey Öney: Ich relativiere nichts. In: Stuttgarter Nachrichten, 15. Juni 2012. Abgerufen am 17. Juni 2012.
  35. a b So Josef Kelnberger in: „Raus aus der Scharmützelzone“, Süddeutsche Zeitung vom 13. Okt. 2014, S. 6
  36. Steven Geyer: „Ministerin Öney wirbt für Flüchtlinge“, in: Frankfurter Rundschau, 13. Dez. 2014
  37. Gabriele Renz: „Frau Öneys wahre Mission“, in: Südkurier Bad Säckingen vom 8. Okt. 2014, S. 2
  38. Interview in der „Badischen Zeitung“ am 15. April 2015: „Ministerin Öney: Menschen sind keine Ware“; ähnlich auch „Integration ist kein Schönheitswettbewerb“, Interview im „Tagesspiegel“ (Berlin), 25. April 2015
  39. „Integrationsministerin für Grenzkontrollen gegen Flüchtlinge“, FOCUS, 30. April 2015