Befreiung der SS-Geiseln in Südtirol

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Oberst Bogislaw von Bonin (Uniform) mit Sigismund Payne Best (schwarze Jacke) und links Franz Maria Liedig am 5. Mai 1945 beim Pragser Wildsee

Die Befreiung der SS-Geiseln in Südtirol fand zum Ende des Zweiten Weltkrieges am 30. April 1945 in Niederdorf (italienisch Villabassa) im Hochpustertal statt. Soldaten der Wehrmacht unter Führung von Hauptmann Wichard von Alvensleben befreiten 141 Sonder- und Sippenhäftlinge, die aus Deutschland und siebzehn weiteren europäischen Staaten stammten, aus den Händen eines SS-Kommandos. Unter den Befreiten befanden sich Totgeglaubte wie der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der frühere französische Ministerpräsident Léon Blum und Pastor Martin Niemöller sowie weitere bekannte Persönlichkeiten wie der Großindustrielle Fritz Thyssen und der frühere Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht.[1]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgangspunkt war vermutlich ein Plan Ernst Kaltenbrunners, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, prominente Häftlinge als Geiseln der SS in die „Alpenfestung“ nach Südtirol zu verschleppen. Als Faustpfand sollten sie dort für Waffenstillstandsverhandlungen mit den Westalliierten zur Verfügung stehen. Im Frühjahr 1945 wurde hierfür eine Auswahl solcher Häftlinge und einiger Angehöriger aus verschiedenen nationalsozialistischen Konzentrationslagern, darunter Buchenwald, Flossenbürg und Mauthausen, im Konzentrationslager Dachau (→ Lage) zusammengelegt. Von Dachau aus, dem sich bereits amerikanische Truppen näherten, wurden die inzwischen 141 Häftlinge aus achtzehn Nationen Europas in drei Gruppen am 17., 24. und 26. April 1945 von einem Sonderkommando der SS und des SD zunächst in das Lager Reichenau in Innsbruck (→ Lage) deportiert. Der Transport wurde von SS-Obersturmführer Edgar Stiller geleitet. Die Begleiter waren fünfzig, nach anderen Angaben achtzig SS-Männer, die den Auftrag hatten, die Gefangenen im Zweifelsfall zu ermorden. Die meisten waren SS-Wachleute aus Dachau, die übrigen gehörten zu einem SD-Kommando unter einem SS-Untersturmführer Bader.[1]

SS-Obersturmführer Edgar Stiller

Von Innsbruck aus wurde der Gefangenentransport am 27. April mit Bussen und Lastwagen fortgesetzt. Am Morgen des 28. April traf der Transport bei Niederdorf im Hochpustertal (→ Lage) ein. Das ursprüngliche Ziel, ein normalerweise in dieser Jahreszeit noch geschlossenes Hotel am nahegelegenen Pragser Wildsee, war wider Erwarten von den Wehrmachtsgenerälen Hans Schlemmer, Hans Jordan und Alfred Bülowius mit ihren Stäben belegt.[1]

Während Stiller nach einer Lösung suchte, ließen sich die Gefangenen von ihren Bewachern nicht hindern, zu Fuß nach Niederdorf zu gehen. Die Südtiroler Bevölkerung zeigte Sympathie und Hilfsbereitschaft. Die Gefangenen wurden teils in Gasthöfen sowie im Pfarrhof, teils auf provisorisch aufgeschüttetem Stroh im Gemeindeamt untergebracht.[1]

Besonders prominente Häftlinge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter den Internierten befanden sich der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg mit Frau und Tochter, der ehemalige Wiener Bürgermeister Richard Schmitz, der frühere französische Ministerpräsident Léon Blum mit Frau, der französische Bischof von Clermont-Ferrand, Gabriel Piguet, der ehemalige ungarische Ministerpräsident Miklós Kállay, der Oberbefehlshaber des griechischen Heeres, General Alexandros Papagos, mit seinem Stab, die beim Venlo-Zwischenfall entführten Agenten des britischen Geheimdienstes Sigismund Payne Best und Richard Henry Stevens, die Theologen Johannes Neuhäusler und Martin Niemöller, der ehemalige Generalstabschef des deutschen Heeres, Generaloberst Franz Halder, mit Ehefrau, die Generale der Infanterie Alexander Freiherr von Falkenhausen und Georg Thomas, der Generalstabsoberst Bogislaw von Bonin, Philipp Prinz von Hessen, der Widerstandskämpfer und Offizier Fabian von Schlabrendorff, der Großindustrielle Fritz Thyssen mit Ehefrau, der frühere Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht, die Kabarettistin und spätere Ordensschwester Isa Vermehren sowie unter den nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 festgenommenen „Sippenhäftlingen“ acht Familienangehörige von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg (darunter dessen Bruder Alexander von Stauffenberg) und sieben aus der Familie des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler.

Befreiung aus Gewahrsam der SS durch die Wehrmacht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haupt­mann Wi­chard von Alvens­leben (um 1960)
Ober­grup­pen­füh­rer Karl Wolff (1937)
Auf dem Von-Kurz-Platz in Niederdorf in der linken Bildhälfte ließ Alvensleben das Gemeindeamt umstellen
Gemeindeamt von Niederdorf
Hotel „Pragser Wildsee“

Am 29. April 1945 gelang es einem der Sonderhäftlinge, Oberst Bogislaw von Bonin, heimlich mit dem Oberkommando der Heeresgruppe C in Bozen zu telefonieren. Er bat General Hans Röttiger, den Stabschef des Oberbefehlshabers Südwest, des Generalobersten Heinrich von Vietinghoff, um Hilfe. Nach einem Gottesdienst in der Niederdorfer Pfarrkirche erklärte SS-Führer Stiller bei einer Versammlung, die Kontrolle an ein zuvor gegründetes Häftlingskomitee unter Leitung des britischen Geheimdienstagenten Sigismund Payne Best und die durch Bonin alarmierte Wehrmacht abgeben zu wollen. Den SS-Häftlingen drohte aber weiter Gefahr, welche von dem als skrupellos beschriebenen SS-Untersturmführer Bader und seinem SD-Trupp ausging.[1]

Als Reaktion auf das Telefonat Bonins mit General Röttiger traf kurz vor Mitternacht Hauptmann Wichard von Alvensleben aus Moos bei Sexten in Niederdorf ein, um sich ein erstes Lagebild zu verschaffen.[2]

Am 30. April kam Alvensleben morgens erneut nach Niederdorf, wo ihm SS-Untersturmführer Bader erklärte, dass sein Auftrag „erledigt sei, wenn die Gefangenen gestorben seien“. Alvensleben enthob Bader seiner Funktion und forderte bei seiner Kompanie in Sexten telefonisch fünfzehn mit Maschinenpistolen bewaffnete Unteroffiziere an, die wenig später das Gemeindeamt umstellten, wo die SS ihr Quartier aufgeschlagen hatte. Nachdem zusätzliche hundertfünfzig Grenadiere aus Toblach eingetroffen waren und den Platz vor dem Gemeindeamt umstellt hatten, konnte Alvensleben mit telefonischer Rückversicherung aus Bozen durch SS-Obergruppenführer Karl Wolff den SS-Untersturmführer Bader und seinen SD-Trupp dazu bringen, abzuziehen.[2]

Die Wehrmacht übernahm nun den Schutz der befreiten SS-Gefangenen. Wie Alvensleben später erklärte, war der kampflose Abzug von Baders SD-Trupp „das alleinige und eindeutige Verdienst des Karl Wolff“, der Alvenslebens „eigenmächtiges Unternehmen sanktionierte und der SS gegenüber autorisierte“.[3]

Da die drei Wehrmachtsgeneräle mit ihren Stäben inzwischen auf Anweisung von Generaloberst Vietinghoff umquartiert worden waren und das Hotel „Pragser Wildsee“ (→ Lage) verfügbar war, wurden die befreiten Häftlinge am Abend des 30. Aprils dorthin gebracht. Dort organisierten sie unter Leitung der Hotelbesitzerin Emma Heiss-Hellensteiner das Notwendigste. Wehrmachtssoldaten sicherten mit fünf Maschinengewehren das Hotelareal. SS-Obersturmführer Stiller, der mit dreißig seiner Männer ebenfalls im Hotel unterkommen wollte, wurde abgewiesen.[1]

Kaltenbrunner versuchte weiterhin, die Geiseln wieder in seine Gewalt zu bringen. Von der Geheimen Staatspolizei in Klagenfurt soll Hans Philipp, der Gestapo-Chef von Sillian, am 1. Mai den schriftlichen Befehl erhalten haben, die Häftlinge zu ermorden bzw. sie über die Grenze ins Deutsche Reich zu bringen. Während Niederdorf im italienischen Südtirol liegt, befindet sich Sillian zwanzig Kilometer östlich davon jenseits der italienischen Grenze im damaligen Großdeutschen Reich. Philipp führte dies aber nicht aus und nahm sich laut Sterbebuch am 4. Mai 1945 mit Schlaftabletten das Leben.[1]

Übernahme durch US-Truppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwei Tage nach der bereits am 29. April 1945 mit Vollmacht von Generaloberst Vietinghoff und SS-Obergruppenführer Wolff in Caserta unterzeichneten,[4] aber erst am 2. Mai offiziell in Kraft getretenen Kapitulation der Wehrmacht in Italien trafen am 4. Mai amerikanische Truppen am Pragser Wildsee ein und übernahmen die Gefangenen.

Einen Tag später erschienen Journalisten und Pressefotografen von alliierter Seite und die Ereignisse machten außerhalb von Deutschland Schlagzeilen. Darin blieb allerdings der Beitrag von Alvenslebens unberücksichtigt.[1]

In zwei Transporten, die am 8. und 10. Mai aufbrachen, gelangten dann die ehemaligen Geiseln unter US-amerikanischer Bewachung über Verona (→ Lage) nach Neapel (→ Lage). Die Deutschen wurden anschließend im heute nicht mehr existierenden Hotel „Eden Paradiso“ (→ Lage) in Anacapri auf der Insel Capri interniert, wo die „Odyssee“ für alle als „unbelastet“ geltenden Gefangenen schließlich endete. Die meisten von ihnen wurden allerdings erst im Juni 1945 zurück in ihre Heimat geflogen.[1]

Hjalmar Schacht in einem alliierten Internierungslager (1945)

Für einige der Deutschen mündete die Übernahme durch die Amerikaner in eine erneute und in der Regel mehrjährige Gefangenschaft, so für Oberst von Bonin, die Generale von Falkenhausen und Halder, den Industriellen Fritz Thyssen und Philipp von Hessen. Hjalmar Schacht wurde beim Nürnberger Prozess als Hauptkriegsverbrecher angeklagt, jedoch 1946 freigesprochen.

f1 Karte mit allen Koordinaten der „Odyssee“ von Dachau bis Capri: OSM | WikiMap

Liste der 141 in Niederdorf befreiten Häftlinge aus 18 Staaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[1] (Staaten in den Grenzen von 1938 vor dem Anschluss Österreichs, in alphabetischer Folge)

Sonderhäftlinge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Danemark Dänemark (6)

  • Hans Frederik Hansen, Marineingenieur, Special Operations Executive (SOE), Deckname „Frederiksen“[5]
  • Adolf Theodor Larsen, SOE, Deckname „Andy“[6]
  • Hans Mathiesen Lunding, Rittmeister, Chef des dänischen Geheimdienstes
  • Max Johannes Mikkelsen, Kapitän, SOE[7]
  • Jørgen Lønborg Friis Mogensen, ehemaliger Vizekonsul in Danzig
  • Knud Erik Pedersen, Kapitän, SOE[8]

Deutschland Deutschland (28)

Frankreich Frankreich (6)

Griechenland Griechenland (7)

  • Konstantinos Bakopoulos, Generalleutnant, Befehlshaber der Metaxas-Linie
  • Panagiotis Dedes, Generalleutnant
  • Vassilis Dimitrion, Soldat
  • Nikolaos Grivas, Feldwebel
  • Georgios Kosmas, Generalleutnant
  • Alexandros Papagos, Feldmarschall
  • Ioannis Pitsikas, Generalleutnant, Bürgermeister von Athen

Irland Irland (5)[10]

  • Thomas J. Cushing, Staff Sergeant (Feldwebel)
  • John McGrath, Lieutenant Colonel (Oberstleutnant)
  • Patrick O’Brian, Soldat
  • John Spence, Soldat (Gunner)[11]
  • Andrew Walsh, Soldat, Flugzeugmechaniker

Italien Italien (7)

Jugoslawien Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (3)

  • Hinko Dragic, Oberst
  • Novak D. Popovic, Generalpostmeister
  • Dimitrije Tomalevsky, Journalist

Lettland Lettland (1)

Niederlande Niederlande (1)

  • Johannes J. C. van Dijk, ehemaliger Verteidigungsminister

Norwegen Norwegen (1)

  • Arne Simenson Daehli, Kapitän der Marine, Chef der Walfangabteilung, Widerstandskämpfer[15]

Osterreich Österreich (5)

  • Konrad Praxmarer, Schriftsteller, kurzzeitiger Leiter der Studienbibliothek in Linz, Wehrmachtsdolmetscher[16]
  • Richard Schmitz, ehemaliger Bürgermeister von Wien
  • Kurt Schuschnigg, Deckname Auster, ehemaliger Bundeskanzler
  • Vera Schuschnigg, Ehefrau des Kurt, war seit Dezember 1941 zusammen mit der gemeinsamen Tochter Maria Dolores Elisabeth freiwillig bei ihrem Mann in KZ-Haft und wurde daher offiziell nicht als Gefangene geführt[1]
  • Maria Dolores Elisabeth Schuschnigg, Tochter des Kurt und Vera

Polen Polen (3)

  • Jan Izycki, Brigadegeneral der polnischen Luftwaffe, später Vice Air Marshal
  • Stanislaw Jensen, Bomberpilot der Royal Air Force
  • Graf Aleksander Leszek Zamoyski, Hauptmann der Kavallerie

Schweden Schweden (1)

  • Carl S. Edquist, SS-Obersturmführer, Mitarbeiter des SD, Doppelagent

Schweiz Schweiz (1)

Sowjetunion Sowjetunion (6)

  • Ivan Georgievich Bessonov, NKWD, Brigadekommandeur
  • Viktor Viktorovich Brodnikov, Oberst
  • Fyodor Ceredilin, Soldat
  • Vassily Vassilyevich Kokorin, Neffe von Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow
  • Pyotr Privalov, Generalmajor, Kommandeur der 192. Gebirgsdivision
  • Nikolai Rutschenko, Oberleutnant, Historiker

Tschechoslowakei Tschechoslowakei (4)

  • Josef Burda, Kaufmann
  • Imrich Karvaš, Gouverneur der slowakischen Nationalbank
  • Josef Rys-Rozsévač, Journalist
  • Jan Stanek, Major im Generalstab

Ungarn Ungarn (10)

  • Aleksander von Ginzery, Oberst der Artillerie
  • Josef Hatz (Hattszegi), Major, Militärattaché in Sofia[19]
  • Samuel Hatz, Lehrer, Vater des Josef
  • Andreas von Hlatky, Staatssekretär im Ministerpräsidium
  • Miklós Horthy jr., Diplomat, Sohn des Miklós Horthy
  • Géza Igmándy-Hegyessy, Generalleutnant a. D., Mitglied des Oberhauses
  • Miklós Kállay, ehemaliger Ministerpräsident
  • Julius Király, Oberst der Gendarmerie, Sektionschef im Innenministerium
  • Desiderius Ónody, Sekretär des Horthy jr.
  • Baron Péter Schell, ehemaliger Innenminister

Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich (9)

Sippenhäftlinge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland Deutschland (37)

  • Fey von Hassell Pirzio Biroli, Tochter des Ulrich von Hassell
  • Annelise Gisevius, Schwester des Hans Bernd Gisevius
  • Anneliese Goerdeler, Frau des Carl Goerdeler
  • Benigna Goerdeler, Tochter des Goerdeler
  • Gustav Goerdeler, Bruder des Carl
  • Marianne Goerdeler, Tochter des Carl
  • Ulrich Goerdeler, Sohn des Carl
  • Irma Goerdeler, Frau des Ulrich Goerdeler, Schwiegertochter des Carl Goerdeler
  • Jutta Goerdeler, Cousine der Benigna Goerdeler
  • Käte Gudzent, NKFD-Sippenhäftling
  • Hildur von Hammerstein-Equord, Schwester von Kunrat von Hammerstein-Equord und Ludwig von Hammerstein-Equord
  • Maria von Hammerstein-Equord, Mutter von Kunrat von Hammerstein-Equord und Ludwig von Hammerstein-Equord
  • Ilse Lotte von Hofacker, Frau des Cäsar von Hofacker
  • Anna-Luise von Hofacker, Tochter des Cäsar
  • Eberhard von Hofacker, Sohn des Cäsar
  • Therese Kaiser, Frau des Jakob Kaiser
  • Elisabeth Kaiser, Tochter der Therese
  • Arthur Kuhn, Rechtsanwalt
  • Lini Lindemann, Frau des General Fritz Lindemann
  • Josef Mohr, Bruder der Therese Kaiser
  • Käthe Mohr, Frau des Josef Mohr
  • Gisela Gräfin von Plettenberg-Lenhausen, Tochter des Walther Graf von Plettenberg-Lenhausen
  • Walther Graf von Plettenberg-Lenhausen, Händler
  • Alexander Schenk Graf von Stauffenberg, Bruder des Claus Schenk Graf von Stauffenberg
  • Markwart Schenk Graf von Stauffenberg (senior), Oberst
  • Alexandra Schenk Gräfin von Stauffenberg, Tochter des Markwart
  • Klemens jr. Schenk Graf von Stauffenberg, Sohn des Markwart
  • Elisabeth Schenk Gräfin von Stauffenberg, Frau des Klemens
  • Inèz Schenk Gräfin von Stauffenberg, Tochter des Markwart
  • Maria Schenk Gräfin von Stauffenberg, Frau des Berthold
  • Marie-Gabriele Schenk Gräfin von Stauffenberg, Tochter des Klemens
  • Otto Philipp Schenk Graf von Stauffenberg, Sohn des Klemens sen
  • Ingeborg Schröder, Frau des Pfarrers Johannes Schröder
  • Hans-Dietrich Schröder, Sohn der Ingeborg
  • Harring Schröder, Sohn der Ingeborg
  • Sybille-Maria Schröder, Tochter der Ingeborg
  • Isa Vermehren, Kabarettistin, Schwester des Erich Vermehren

Erhaltene Dokumente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Schnellbrief“ von Gestapochef Heinrich Müller[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 2. oder 3. Mai 1945 kam ein SS-Mann aus Stillers Wachmannschaft mit einem Papierbündel zu Sigismund Payne Best, der das Häftlingskomitee leitete, und teilte ihm mit, SS-Obersturmführer Stiller verbrenne gerade alle Papiere, die er bei sich hat. Er habe einige in seine Tasche gesteckt, als Stiller nicht aufpasste. Als Best die Papiere untersuchte, stellte er fest, dass die meisten reine Routinebefehle waren. Es war jedoch ein Umschlag mit einem „Schnellbrief“ dabei, den der Chef der Gestapo, SS-Gruppenführer Heinrich Müller, am 5. April 1945 an den Leiter des KZ Dachau, SS-Obersturmbannführer Eduard Weiter, geschickt hatte.[20]

In diesem „Schnellbrief“ kündigte Müller die Überstellung von zehn Sonderhäftlingen ins KZ Dachau an, die dort auch tatsächlich wenig später eintrafen und inzwischen allesamt in Niederdorf befreit worden waren. Dies waren Generaloberst Franz Halder, General Georg Thomas, Hjalmar Schacht, Kurt Schuschnigg mit Frau und Kind, General Alexander von Falkenhausen, Sigismund Payne Best, der Molotow-Neffe Kokorin und Oberst Bogislaw von Bonin.[21]

Dieser „Schnellbrief“ ist ein wichtiges historisches Dokument, weil auf seiner zweiten Seite die unauffällige Liquidierung des Schutzhäftlings „Eller“ (Georg Elser) angeordnet wird.[22] Elser, der 1939 im Münchener Bürgerbräukeller einen misslungenen Anschlag auf die NS-Führung verübt hatte, wurde kurz nach Eingang dieses Schreibens im KZ Dachau erschossen, ohne, wie im „Schnellbrief“ angeordnet, auf den nächsten Luftangriff zu warten und auch ohne das Schreiben „nach Kenntnisnahme und Vollzug“ zu vernichten.[23]

Befehl zur Erschießung der Geiseln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Erinnerungen einiger der befreiten SS-Geiseln ist die Rede von einem Befehl, den sie zum Teil persönlich in Schriftform gesehen haben wollen. Auf Grund dieses Befehls habe Baders SS-Trupp die Gefangenen oder zumindest einen Teil von ihnen auf jeden Fall oder aber spätestens dann erschießen sollen, wenn sie den Alliierten in die Hände zu fallen drohten. Ein derartiger schriftlicher Befehl ist jedoch nicht überliefert. Ob es im ungünstigsten Fall tatsächlich zur Tötung der Gefangenen gekommen wäre, hält Hans-Günter Richardi, der die Geschichte der SS-Geiselbefreiung intensiv erforscht hat, für spekulativ.[24]

Autobiografien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige der in Niederdorf befreiten Sonder- und Sippenhäftlinge haben ihre Erinnerungen an die Ereignisse in Niederdorf aufgezeichnet und zum Teil in Autobiografien veröffentlicht, u. a. Sigismund Payne Best, Hugh Mallory Falconer, Fey von Hassell, Bertram Arthur „Jimmy“ James, Josef Müller, Hermann Pünder, Fabian von Schlabrendorff, Kurt von Schuschnigg und Isa Vermehren.

Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenktafel zur Befreiung der SS-Häftlinge am Hotel „Pragser Wildsee“

An dieses Geschehen erinnert heute das Zeitgeschichtsarchiv Pragser Wildsee, das im Jahre 2006 von Caroline M. Heiss und Hans-Günter Richardi im Hotel „Pragser Wildsee“ gegründet wurde.[25]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans-Günter Richardi: SS-Geiseln in der Alpenfestung. Die Verschleppung prominenter KZ-Häftlinge aus Deutschland nach Südtirol. Edition Raetia, Bozen 2005, ISBN 88-7283-229-2.
  • Peter Koblank: Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol. In: Online-Edition Mythos Elser 2006.
  • Hans-Günter Richardi: SS-Geiseln am Pragser Wildsee. Der Leidensweg prominenter KZ-Häftlinge aus 17 Ländern Europas nach Südtirol. Prags 2006.
  • Hans-Günter Richardi: Das Hotel am Pragser Wildsee. Geschichte eines Grandhotels in den Dolomiten. Prags 2009.
  • Volker Koop: In Hitlers Hand. Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS. Köln 2010.
  • Tom Wall: Dachau to the Dolomites: The Untold Story of the Irishmen, Himmler's Special Prisoners and the End of WWII. Merrion Press, Newbridge 2019, ISBN 978-1-78537-225-4.

Erinnerungen Beteiligter:

  • Fabian von Schlabrendorff: Offiziere gegen Hitler. Zürich 1946.
  • Kurt von Schuschnigg: Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot. Aufzeichnungen des Häftlings Dr. Auster. Zürich 1946.
  • Isa Vermehren: Reise durch den letzten Akt. Ravensbrück, Buchenwald, Dachau: eine Frau berichtet. Hamburg 1946.
  • Sigismund Payne Best: The Venlo Incident. London 1950.
  • Hermann Pünder: Von Preussen bis Europa. Lebenserinnerungen. Stuttgart 1968.
  • Bertram Arthur „Jimmy“ James: Moonless Night: The Second World War Escape. London 1983. – dt.: Pechschwarze Nacht: Leben für die Flucht. Berlin 2008.
  • Josef Müller: Bis zur letzten Konsequenz. Ein Leben für Frieden und Freiheit. München 1975.
  • Fey von Hassell: Hostage of the Third Reich. The Story of My Imprisonment and Rescue from the SS. Edited by David Forbes-Watt. New York 1989. – dt.: Niemals sich beugen. Erinnerungen einer Sondergefangenen der SS. München 1990
  • Hugh Mallory Falconer: The Gestapo's Most Improbable Hostage. Barnslay 2018.

Zeitschriften:

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wir, Geiseln der SS, zweiteiliges Doku-Drama der Gebrüder Beetz Filmproduktion, Autor und Regie: Christian Frey, Szenenregie: Carsten Gutschmidt, ZDF/ARTE, Deutschland 2014.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Befreiung der SS-Geiseln in Südtirol – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k l Peter Koblank: Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol, Online-Edition Mythos Elser 2006.
  2. a b Wichard von Alvensleben: Betrifft Übernahme der Dachauer KZ.Insassen in Niederdorf Südtirol im April 1945. Nörten-Hardenberg 1945. Online.
  3. Wichard von Alvensleben: Bericht über die Befreiung prominenter KZ-Häftlinge am 29.4.45 in Niederdorf/Südtirol unter entscheidender Mitwirkung des ehemaligen SS-Generals Karl Wolff. Ascheberg 20. Oktober 1968. Online.
  4. Dulles/Schulze-Gaevernitz S. 249–251.
  5. Niels-Birger Danielsen: Modstand 1933–1942: Frihedskampens rødder. 1. Auflage. Politikens Forlag, 2015, ISBN 978-87-400-2821-8 (dänisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Thorkild Nielsen, Egon Jensen: Optrevlingen af Aarsgruppen februar 1944. Vesthimmerlands Museum, 2013, S. 5, abgerufen am 14. Februar 2016 (dänisch).
  7. Jørgen Kieler: Nordens lænkehunde: Den første Holger Danske gruppe. Kopenhagen 2017, S. 189.
  8. Nigel West: The A to Z of British Intelligence. Lanham 2009, S. 132.
  9. Informationen zu Heidel Nowakowski siehe Fußnote Nr. 15 in Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol auf mythoselser.de, abgerufen am 1. Oktober 2023.
  10. Hans-Günter Richardi (2005) S. 24 (Cushing, O´Brien und Walsh) und S. 132 (McGrath).
  11. Tom Wall (2019) S. 33, 42–43, 53 und 190–192.
  12. a b Informationen zu Amechi und Burtoli siehe Fußnote Nr. 18 in Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol auf mythoselser.de, abgerufen am 1. Oktober 2023.
  13. Roberto Gremmo: I partigiani alleati dei nazisti. Il Battaglione Davide dalla Resistenza astigiana alla Risiera di Trieste. Storia ribelle, Biella 2015.
  14. Schönes Wetter. In: Der Spiegel, 19. Februar 1967
  15. Åke Svenson, Bent Vandberg: De hvite bussene. Gyldendal, Oslo 1945, S. 74–76, urn:nbn:no-nb_digibok_2014052308054 (norwegisch, 181 S.).
  16. Monika Eichinger: Die Studienbibliothek Linz in der NS-Zeit. Wien 2009, S. 22ff auf wienbibliothek.at (PDF).
  17. Le combattant de "l'armée des ombres" (französisch) in: Website des Journal du Jura, von Théophile Bloudanis, Datum: 16. Dezember 2021, abgerufen am 16. September 2023.
  18. Informationen zu Armand Mottet siehe Fußnote Nr. 19 in Die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge in Südtirol auf mythoselser.de, abgerufen am 30. September 2023.
  19. Magyar Életrjzi Lexikon 1000–1990: mek.oszk.hu
  20. Peter Koblank: Die Entdeckung des Befehls zur Liquidierung Elsers, Online-Edition Mythos Elser 2006.
  21. Faksimile von Seite 1 des Schnellbriefs vom 5. April 1945 auf mythoselser.de.
  22. Faksimile von Seite 2 des Schnellbriefs vom 5. April 1945 auf mythoselser.de.
  23. Das zweimal fälschlich mit ‚t‘ statt mit ‚d‘ geschriebene Wort ‚tötlich‘ diente 1995 dem Journalisten Günter Peis als eines mehrerer Argumente, diesen Schnellbrief vom 5. April 1945 zu Unrecht als Fälschung einzustufen. Näheres dazu bei Peter Koblank: Befehl zur Liquidierung Georg Elsers eine Fälschung? Online-Edition Mythos Elser 2007.
  24. Interview mit Hans-Günter Richardi. In: Dorfablattl – Informationen aus der Gemeinde Niederdorf. Nr. 32, März 2015, S. 6–7 (PDF).
  25. Befreiung am Pragser Wildsee. Tiroler Archiv erinnert an die Verschleppung prominenter SS-Geiseln in die Dolomiten. In: Sonntagsblatt Nr. 31, 30. Juli 2006, S. 25 (PDF).